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MdH Reichsrats-Abg. Univ.-Prof. Dr. Dr. Stanislaus (Stanislaw) Graf Tarnowski

MdH Reichsrats-Abg. Univ.-Prof. Dr. Dr. Stanislaus (Stanislaw) Graf Tarnowski

Ehrenmitgliedschaften:

Geboren: 07.11.1837, Dzików (Bezirk Tarnobrzeg, Galizien; nunmehr Stadt Tarnobrzeg, Woiwodschaft Karpathenvorland, Polen)
Gestorben: 31.12.1917, Krakau (Galizien)
Ehemals ÖCV, Mitglied des Herrenhauses, Reichsratsabgeordneter, Landtagsabgeordneter (Galizien), Mitglied des Landesausschusses (Galizien), Universitätsprofessor (Polnische Literaturgeschichte), Präsident der Akademie der Wissenschaften Krakau
Politische Haft: 1863–1865 in Lemberg und Olmütz

Lebenslauf:

Tarnowski entstammte einem alten polnischen Adelsgeschlecht, das im 16. Jahrhundert als Grafen nachweisbar ist. 1785 wurde es von Kaiser Josef II. als erbländisch-österreichisches Grafengeschlecht anerkannt. Er wurde als Sohn des Johann Bogdan Grafen Tarnowski und der Gabriele, geb. Gräfin Konskie-Malachowska, geboren. Sein ältester Bruder Johann Dzierzkyslaw war Landmarschall (i. e. Landeshauptmann) von Galizien.

Tarnowski erhielt zuerst eine Privaterziehung und besuchte dann von 1850 bis 1854 das St. Anna Gymnasium in Krakau. Nach seiner Matura im Jahr 1854 begann er zuerst das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Jagellonen-Universität Krakau, 1855 wechselte er für ein Jahr nach Wien, um dieses Studium dann ab 1856 in Krakau fortzusetzen. 1858 wechselte er in Krakau an die Philosophische Fakultät, wo er polnische Literatur studierte. Im Studienjahr 1859/60 war er wiederum in Wien, um dann nach Krakau zurückzukehren und seine Studien zu beenden (1868 Dr. iur.; Dr. phil. 1870).

Anfang 1863 beteiligte sich Tarnowski am polnischen „Januar-Aufstand“ gegen die russische Besatzung um sog. Kongreß-Polen, der hauptsächlich von Adeligen getragen wurden, schlecht organisiert war und scheiterte. Er wurde deswegen in Österreich zu zwölf Jahren Festungshaft verurteilt. Er verbrachte diese in Lemberg sowie in Olmütz und wurde 1865 amnestiert. Danach begann er eine wissenschaftliche Laufbahn. Noch vor seiner Promotion war er bereits 1869 Privatdozent für polnische Literaturgeschichte. 1871 wurde er zum außerordentlichen und 1879 zum ordentlichen Universitätsprofessor für polnische Literatur und Literaturgeschichte an der Universität Krakau ernannt, deren Rektor er 1886/1887 und 1899/1900 war. Im Studienjahr 1882/83 war er Dekan der Philosophischen Fakultät.

Tarnowskis Schwerpunkt war die polnische Literatur des 16. Jahrhunderts sowie die der Romantik. Er veröffentlichte zahlreiche allgemein historische sowie literaturhistorische Werke (siehe unten). 1873 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Krakau und 1883 deren Generalsekretär. Ab 1891 war er deren Präsident. 1909 wurde er als Universitätsprofessor emeritiert.

Über seine Mutter war Tarnowski von 1870 bis 1874 Mitbesitzer der Herrschaft Konskie Wielkie in damaligen Russisch- bzw. Kongreß-Polen. Darüber hinaus engagierte er sich auch politisch und wurde 1867 über die Kurie des Großgrundbesitzes in den galizischen Landtag gewählt, obwohl er damals noch nicht das passive Wahlalter erreicht hatte. In dieser Kurie wurde er mehrmals wiedergewählt, bis er ab 1891 als Präsident der Akademie der Wissenschaften und somit als Virilist Mitglied des Landtags war.

Aufgrund der damaligen Verfassung wurde Tarnowski im Mai 1867 vom Landtag in das Abgeordnetenhaus des Reichsrats gewählt, dem er vom 20. Mai 1867 bis 18. September 1868 angehörte. Unter diesem Datum verzichtete er auf das Mandat im Reichsrat, weil er Mitglied des galizischen Landesausschusses wurde, einer Vorform der Landesregierung für die autonome Landesverwaltung, dem er bis 1869 angehörte. Schließlich wurde er mit 15. September 1885 von Kaiser Franz Joseph zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses ernannt.

Als Reichsrats- und Landtagsabgeordneter gehörte Tarnowski dem polnisch-konservativen Polenklub (Fraktion) an, den man unter dem Politischen Katholizismus einordnen konnte. Ab den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurde Polen zwischen Rußland, Preußen und Österreich aufgeteilt. Unzweifelhaft ging es den Polen in der Habsburger-Monarchie am besten und bekleideten dort auch hohe Regierungsfunktionen. In der Regel unterstützte der Polenklub parlamentarisch die k. k. Regierung und kann daher gewissermaßen auch als „staattstragend“ bezeichnet werden.

Aufgrund seiner katholisch-konservativen Ausrichtung kam Tarnowski in Kontakt mit der Austria, die ihm die Ehrenmitgliedschaft verlieh. Als solcher wurde er von ihr bis zu ihrem Beitritt 1906 zum CV geführt und war somit auch Mitglied des 2. ÖCV. Im CV Gesamtverzeichnis 1910 fehlen er und der Budweiser Bischof Martin Josef Riha (AW EM) bei der Austria. Es besteht die Vermutung, daß beide aufgrund des Beitritts der Austria zum CV, der sich als deutscher Verband definierte, nicht mehr weiter Mitglied bei ihr bleiben konnten.

Werke:

(Auswahl; die Titel wurden ins Deutsche übersetzt)
Der polnische Roman Anfang des 19. Jahrhunderts (1871).
Wanderschaft nach Galiläa (1873).
Politische Schriststeller des 16. Jahrhunderts. Zwei Bände (1886).
Unsere Geschichte in den letzten hundert Jahren (1890, Neudruck 2014),
Aus Erfahrung und Meditation (1891).
Politische Studien. Zwei Bände (1895).
Die Dramen Schillers (1896).
Geschichte der polnischen Literatur. Sechs Bände (1900–1907).

Quellen und Literatur:

Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1912. Gotha o. J. (1912), 946f.
Österreichisches Biographisches Lexikon. Band 14. Wien 2013, 204f.
https://www.parlament.gv.at/recherchieren/personen/parlamentarierinnen-ab-1848/parlamentarier-1848-1918/Tarnowski_4