Langzeit-General Rudolf Gruber verstorben

Langzeit-General Rudolf Gruber verstorben

Österreichischer Cartellverband
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18.02.2024
Gerhard Labschütz
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Erst vor kurzem hat Generaldirektor i.R. KommR Dr. Rudolf Gruber (NdW) seinen 90. Geburtstag gefeiert und an diesem Tag auch das 135-Semester-Jubelband aus den Händen seines Philisterseniors WHR Dr. Ernst Schebesta (NdW) erhalten. Ein Monat später ist nun ein großer ÖCVer unser Bundesbruder Grog am 27. Jänner 2024 friedlich im Schlaf verstorben. Am vergangenen Samstag wurde er nach einem großen Requiem und einer bewegenden Trauerrede der niederösterreichischen Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner (BAB) am Helenenfriedhof in Baden zu Grabe getragen.

Rudolf Gruber wurde am 28. Dezember 1933 als Sohn von Maria und August Gruber geboren. Als einziges Kind in der kleinen Arbeiterfamilie Gruber wuchs er in Gablitz auf. Vater August war Kabelmonteur bei Siemens und die Mutter Maria arbeitet als Hilfsarbeiterin am Bauernhof, wo sie in Untermiete lebten. Nach der Hitler-Einmarsch 1938 und in den Kriegsjahren versuchte sie ihren Sohn am Nationalsozialismus „vorbeizumanövrieren“ (wie er selbst sagte). Seine Mutter war sensibilisiert dadurch, dass die Gestapo ihren Bruder einsperrte, weil er seine Meinung über die Naziherrschaft und den Krieg öffentlich äußerte. Nach seiner Verurteilung wegen heimtückischer Angriffe auf Staat und Partei, wurde er umerzogen und musste 10 Monate in Gefängnis. Nach seiner Freilassung wurde er zur Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront geschickt, von der er nicht mehr heimkehrte. Die Eindrücke der Kriegswirren, aber vor allem die erste Besatzungszeit durch die Russen nach dem Krieg traumatisierten das Kind. In den Jahrzehnten nach 1945 konnte er die Geschehnisse aufarbeiten indem er immer wieder vom Krieg und von der Besatzung erzählte. Viele Generationen am Nordgau können dies bestätigen. Somit gehört Rudolf Gruber nicht zu der „Väter und Großväter Generation“, die über die Vergangenheit geschwiegen haben, im Gegenteil er hat bewusst immer wieder davon berichtet um denjenigen, die es nicht erlebt haben, den Wert von Frieden und den Wert vor Freiheit vor Augen zu führen.

Rudolf Grubers Weg nach der Volks- und Hauptschule wäre vorgezeichnet gewesen und hätte in eine Handwerkslehre geführt. Durch die Förderung eines bekannten Priesters und durch den Mut seiner Mutter, nahm seine Laufbahn eine andere Wendung. Maria Gruber nahm den Weg zu wohlhabenden Pflegeeltern auf sich und übergab ihnen ihr einziges Kind, damit dieser das Gymnasium in der Fichtnergasse (Hietzing) besuchen konnten, denn seine Eltern hätten sich diese Ausbildung nicht leisten können. Die Pflegeeltern (ein Bankier und eine Aristokratin) förderten Rudolf in vielen Bereichen, versuchten aber ihn nie seinen Eltern wegzunehmen und wuchsen somit zur Familie zusammen. 1953 maturierte er schließlich, davor wurde er bereits bei Borussia Wien im MKV recipiert. Nach eigener Aussagen hatte er im Gymnasium wenig Zeit und seine Pflegeeltern waren nicht sehr begeistert von der Borussia, trotzdem faszinierte ihm das klare Bekenntnis zu den vier Prinzipien. Seine Mitgliedschaft bei Nordgau ab 1956 erlebte er viel intensiver, es entwickelten sich im Nordgau „Lebensfreundschaften“, die ihm auch im Berufs- und Privatleben wichtig waren. Er war auch fasziniert davon Persönlichkeiten wie Fürst Franz Josef II. v. u. z. Liechtenstein (NdW), Minister Heinrich Drimmel (NdW) oder Kardinal Franz König (Rd), Präsidialchef Eduard Chaloupka (Baj) oder ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm (Nc) kennenzulernen.

Im Nordgau nahm Rudolf Gruber den Couleurnamen Grog an und wurde 1958 zum Consenior und dann 1958 bis 1959 zum Senior gewählt, dies war auch das Jahr in dem er promovierte und auch seine Frau Anny heiratete, mit der er sich bereits nach der Matura verlobt hatte. Cartellbruder Grog studierte an der Universität Rechtswissenschaften, obwohl sein Pflegevater, der ihn leitender Position in der Privatbank Pinschof & Co. tätig war, für ihn eine Bankenlehre vorgesehen hatte, die aus seiner Sicht mit einem Studium vereinbar war. Rudi Gruber setzte sich durch und absolvierte Bankenlehre und Studium in Mindestzeit.

Während seiner Lehre und seiner Arbeit in allen Abteilungen seiner Bank, begeisterte er sich schon frühzeitig für das Aktiengeschäft in der Börse- und Wertpapierabteilung, daher bewarb er sich um die ausgeschriebene Prüfung als Börsesensal, das ist ein staatlich anerkannte Händler an der Börse, wovon es damals 8 gab. Erst wurde er aufgrund seines jungen Alters nicht zugelassen, durfte sie aber trotzdem ablegen mit der Bedingung, danach zu warten bis er das richtige Alter für einen Posten habe. Schließlich wurde eine weitere Stelle für ihn geschaffen und er wurde somit zum jüngsten Börsesensal in der Geschichte, seit diese Institution von Maria Theresia geschaffen wurde.

Nebenbei wurde Rudolf Gruber im Studienjahr 1960/61 zum ÖCV-Vorortspräsidenten gewählt und somit auch auf Verbandsebene tätig. In diese Zeit fiel die Schaffung der neuen Cartellordnung und die ersten Diskussionen über eine Hochschulreform begannen. Das Vorortsjahr war so erfolgreich, dass Nordgau auch für das Studienjahr 1961/62 nochmal zum Vorort gewählt wurde, dafür übergab Cbr. Gruber aber an Dr. Peter Micheler (NdW). Rudolf Gruber übernahm noch im gleichen Jahr schließlich das Amt für Auslandsfragen und intensivierte das Drei-Verbände-Abkommen mit dem Schweizerischen Studentenverein und dem wiedergegründeten deutschen CV. Danach übernahm er für neun Jahre auch den Vorsitz des Altherrenlandesbundes Niederösterreich, der Anfang der 60er Jahre die Zirkel in Niederösterreich ausbaute.

Der große weitere Berufsschritt erfolgte für Dr. Rudolf Gruber am 19. Jänner 1968 als er vom niederösterreichischen Landeshautmann Andreas Maurer nach einem Finanzskandal in den Landesgesellschaften NEWAG und NIOGAS in beiden Unternehmen zum Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektor ernannt wurde. Er war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 34 Jahre alt. Die NEWAG war zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig und konnte ihre Zinsen für zahlreiche Anleihen nicht mehr bezahlen und die NIOGAS war mit 150 Millionen Schilling überschuldet. Rudolf Gruber sollte „ausmisten“, wie Maurer es bezeichnete und er vertraute ihm diese Aufgabe an. Noch im selben Jahr gelangen die ersten Sanierungsschritte und man beteiligte sich am ersten Erdgas-Importvertrag mit der Sowjetunion. Nach etlichen erfolgreichen Entwicklungsjahren wurde 1986 die NEWAG und die NIOGAS fusioniert und erhielten 1987 den Namen Energieversorgung-Niederösterreich AG (EVN), deren Generaldirektor Gruber blieb. 1989/90 ging die nunmehrige EVN unter seiner Führung an die Börse, ebenso erweiterte er die Geschäftsfelder der EVN in den Bereichen Trinkwasserversorgung, Abfallverwertung und Telekommunikation. Die EVN nutzte unter der Führung Grubers die Chancen der Ostöffnung nach 1989, des EU-Beitritts Österreichs im Jahr 1995 und der folgenden Erweiterungen der EU. Sie beschritt den Weg vom Landesstrom- und –Gasversorger zu einem interna-tional agierenden Energie- und Umweltdienstleistungsunternehmen. Im Jahr 2000 übernahm die EVN den Wasserversorger Nösiwag. 2003 wurde der deutsche Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsspezialist WTE erworben und damit der Grundstein zur Internationalisierung der EVN gelegt. Die EVN wandelte sich unter ihm von einem reinen Energieversorger zu einem Multi-Utility-Unternehmen, das auch international agierte. Zunehmend wurde in seiner Zeit auch in erneuerbaren Energien (Wasser, Windkraft und Biomasse) sowie in die Fernwärme investiert. Dadurch wurde die Energieversorgung Österreichs sichergestellt. Mit 71 Jahren ging Rudolf Gruber 2004 in Pension und schied aus dem Vorstand aus. 2005 wurde er zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der EVN gewählt, welche Funktion er bis 2011 bekleidete. In seiner aktiven Zeit hatte er insgesamt 27 Aufsichtsratsmandate, danach bis 2011 immerhin noch sieben. Er war Präsident bzw. Vizepräsident des Verbandes der Elektrizitätswerke, stv. Vorsitzender des Gas- uns Wasser Fachverbands, stv. Vorsitzender der Sektion Industrie in der Handelskammer und Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung in Österreich. International hatte er Funktionen in der Internationalen Atomenergiebehörde, bei Eurogas in Brüssel und war Präsident der Österreichisch-Deutschen Kulturgesellschaft und Honorarkonsul von Ungarn. An politischen Funktionen bekleidete er 15 Jahre die Funktion des Finanzreferenten der ÖVP NÖ und genauso lange die des Finanzreferenten der Bundes ÖVP, damit war er auch Mitglied des Bundesparteivorstand.

In diesen vielen Jahren war Rudolf Gruber immer hautnah an seiner Verbindung Nordgau, die Nordgau Tage im EVN-Seminarhotel Ottenstein im Waldviertel waren für alle Nordgau Aktiven über 40 Jahre lang ein gruppendynamisches Highlight, der den Zusammenhalt seiner Verbindung enorm stärkte. Die Generationen, die dies erleben durften, werden ihm unendlich dankbar sein. Und alle anderen werden noch Jahrzehnte Geschichten darüber hören (müssen). Nach seiner aktiven Karriere engagierte er sich weiter im Badener CV Zirkel und bis ins hohe Alter auch im ÖCV-Golfclub. Nordgau bedankte sich mit seiner höchsten commentmäßigen Ehrung der Dr. cer Würde, die ihm 2010 verleihen wurde.

Nunmehr ist unser Cartellbruder Generaldirektor i.R. KommR Dr. Rudolf Gruber v. Dr. cer. Grog am 27. Jänner 2024 im 91. Lebensjahr verstorben. Viele Zeitungen und Menschen, vor allem das Land Niederösterreich und die EVN haben Rudi Gruber danach in höchsten Tönen gewürdigt. Viele haben auch nicht unerwähnt gelassen, dass er ein strenger, wertkonservativer, machtbesessener Mensch und manchmal ein unnachgiebiger und komplizierter Chef war. Trotzdem haben ihn viele bewundert und geschätzt und einige sind auch im Streit mit ihm auseinander gegangen. Wir Nordgauer haben ihn verehrt und geliebt, er war auch uns gegenüber fordernd, aber bei uns war er, glaube ich immer er selbst. Er konnte den Überchef und den Generaldirektor, ein Stück weit ablegen und ganz "Freund und Bruder" sein. Ich möchte dies an einer konkreten Anekdote festmachen, die sich vor wenigen Jahren ereignete als Dr. cer. Grog schon etwas gebrechlich und gesundheitlich angeschlagen war, aber doch betont würdevoll und Autorität ausstrahlend an der Trauerkneipe für unseren Bundesbruder Dr. Wilhelm Demuth v. Dr. cer. Skat, einem seiner besten Freunde, teilnahm. Er ergriff unter Tränen, aber ohne Scham das Wort und betonte, wie wichtig die lebenslangen Freundschaften sind, die man ab seiner Studienzeit erleben darf. Weiters sagte er auch ihm sei im Rahmen einer solchen Trauerveranstaltung seine Endlichkeit bewusst, diese rückt aber im Kreise seiner Bundesbrüder in den Hintergrund. Für diese Erkenntnis und für seine Bundesbrüderlichkeit für über 70 Jahre in unserer Verbindung sind wir dir dankbar.

Fiducit Dr. cer. Grog!

Nachruf und Auszüge aus der Trauerrede von Gerhard Labschütz (NdW)

ONLINE Biografie von Rudolf Gruber im BIOLEX (Biografischen Lexikon des ÖCV)