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LAbg. a.D. OStR. Prof. i.R. Dr. Wilhelm Reichart

LAbg. a.D. OStR. Prof. i.R. Dr. Wilhelm Reichart

Urverbindung: Norica (09.11.1934)

Geboren: 03.05.1915, Bregenz
Gestorben: 30.08.1997, Hard (Bezirk Bregenz, Vorarlberg)
Aus dem ÖCV ausgeschieden, Landtagsabgeordneter (Vorarlberg), Gymnasialprofessor

Lebenslauf:

HERKUNFT, AUSBILDUNG UND POLITISCHE LAUFBAHN

Reichart wurde als Sohn eines Schiffskassierers (am Bodensee) geboren und absolvierte 1934 das Gymnasium in Bregenz, wo er der MKV-Verbindung Kustersberg beitrat. Danach begann er für das Lehramt an Höhere Schulen das Studium der Klassischen Philologie und Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (Lehramtsprüfung und Dr. phil. 1939), wo er der Norica beitrat (Couleurname Gunther). Kurz vor seiner Matura trat er der Vaterländischen Front bei, jedoch 1936 auch dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK), einer NS- Vorfeldorganisation.

Nach dem Studienende im Jahr 1939 trat Reichart in den Schuldienst ein und wurde zuerst dem Gymnasium in Wien-Währing zugeteilt. Ende 1939 trat er dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) bei, nicht jedoch der NSDAP. Bereits im Januar 1940 wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und geriet später in Gefangenschaft, aus der er im Juli 1945 nach Bregenz zurückkehrte.

Sofort begann Reichart seinen Dienst am Gymnasium in Bregenz, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1981 blieb. Im letzten Dienstjahr war er dort für kurze Zeit Direktor. Reichhart engagierte sich bald in der ÖVP bzw. im ÖAAB. Am 6. Juni 1947 wurde er zum Stadtrat von Bregenz gewählt, welches Amt er bis zum 13. Mai 1950 ausübte. 1949 kandidierte er für die Wahlen zum Vorarlberger Landtag, wurde gewählt und gehörte diesem nach Wiederwahlen über 25 Jahre vom 25. Oktober 1949 bis zum 2. November 1974 an.

Innerhalb der ÖVP bekleidete Reichart bald wichtige Positionen. So war er ÖVP-Stadtparteiobmann von Bregenz, von 1949 bis 1959 Mitglied der ÖVP-Landesparteileitung und des Landesparteirates sowie Vorstandsmitglied des ÖAAB Vorarlberg. Im Jahr 1959 kam es in der ÖVP zu Querelen, in Folge derer Reichart am 14. August 1959 aus der Partei austrat. Damit wäre er im Herbst 1959 nicht mehr in den Landtag gewählt worden, wenn damals nicht die FPÖ an ihn herangetreten wäre, ob er nicht für sie bei den kommenden Landtagswahlen kandidiere. Er lehnte zuerst ab, ließ sich aber überreden, als man ihm mitteilte, er müsse nicht der FPÖ beitreten, und man respektiere seine CV-Mitgliedschaft. Reichart nahm dieses Angebot an, kandidierte auf der Liste der FPÖ und wurde wiedergewählt. In der Folge war er von 1960 bis 1975 für die FPÖ auch Mitglied des Bregenzer Gemeinderates. Später trat er ihr auch bei, allerdings 1973 auch wieder aus.

KONSEQUENZEN IM ÖCV

Bereits zwei Tage nach der Landtagswahl 1959 hat die Verbandsführung des ÖCV beschlossen, dem Altherrenverband der Norica die einschlägigen Beschlüsse des ÖCV über das Verhältnis zu anderen Parteien in Erinnerung zu bringen. Es handelte sich dabei vor allem um jenen aus dem Jahre 1946: „Kein CVer darf einer politischen Partei angehören, deren politisches Verhalten den Grundsätzen oder den Interessen des CV offenkundig widerstreitet und bei der die Zusammensetzung ihrer Führerschaft keinen Zweifel über die CV-gegnerische Einstellung aufkommen läßt. In Zweifelsfällen entscheidet die Verbandsführung.“

Für die Verbandsführung war damals klar, dieser Beschluß trifft auch auf die FPÖ zu. Am 18. Dezember 1959 teilte der Philistersenior Hans Egon Gros (Nc) Reichart mit, daß er die Angelegenheit der Verbandsführung übertragen habe, er und die Norica aber keinen Grund sähen, gegen ihn vorzugehen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Vorarlberger Philisterzirkels der Norica fände man seine Haltung zwar bedenklich, jedoch sehe man keinen hinreichenden Grund für ein Ehrengerichts-Verfahren, da er auch keine Funktionen in der FPÖ ausübe.

Die Verbandsführung des ÖCV war jedoch anderer Meinung. Auf Antrag des damaligen VOP Engelbert Schragl (Nc) (also eines Angehörigen der Norica) wurde die Angelegenheit dem Obersten ÖCV-Gericht (OÖCVG) übermittelt.

Dieses verlangte am 26. April 1960 eine Stellungnahme von Reichart, die er am 22. Mai 1960 auch zuschickte. Erst ein gutes Jahr später kam es zu zwei Verhandlungsterminen, an denen Reichart aus Termingründen nicht teilnehmen konnte. Trotzdem wurde am zweiten Termin, dem 15. Mai 1961, ein Urteil in Abwesenheit gefällt, in dem die Verletzung der Beschlüsse des Jahres 1946 festgestellt wurde.

Die Durchführung eines solchen Urteils oblag damals der Verbandsführung, und bei der liefen sofort Interventionen, wie seitens des Vorsitzenden des Altherrenlandesbunds Vorarlberg, LAbg. Lorenz Emil Konzett (Cl), ein, die Vollstreckung des Urteils zu vertagen, weil (angeblich) die Situation der FPÖ in Vorarlberg eine andere sei. Der VOP war für eine sofortige Vollstreckung, die Altherrenschaft hingegen dagegen. Da es dem Vorsitzenden der Verbandsführung, Eduard Chaloupka (Baj), offenbar nicht gelang, eine Einigung herbeizuführen, vertagte er den Tagesordnungs-Punkt.

Die Sache zog sich weitere Jahre hin und kam erst durch einen Irrtum Ende 1963 in Bewegung. Die Norica bzw. deren Standesführer hatten aus Versehen Reichart nicht für das Gesamtverzeichnis 1963 gemeldet. Obwohl das Urteil feststand, war es ja noch nicht vollzogen, d. h. Reichart war de jure noch Mitglied der Norica. Daraufhin kam es zu einem offenen Brief Reicharts vom 19. Dezember 1963, worin er sich auf das Fehlen im Gesamtverzeichnis bezieht und meint, nun offenbar ausgeschlossen worden zu sein, ohne daß ein Gerichtsverfahren stattgefunden hätte und er benachrichtigt worden wäre.

Das führte nun Anfang 1964 zu einem entschiedeneren Vorgehen der Verbandsführung: Das Urteil wurde nun der Norica zugestellt und Reichhart aus der Norica bzw. dem ÖCV ausgeschlossen. Dieser Vorgang führte in der Folge zu Konsequenzen im ÖCV. Auf der Cartellversammlung des ÖCV im Mai 1965 wurde aus dem oben zitierten Beschluß des Jahres 1946 der letzte Satz, „In Zweifelsfällen entscheidet die Verbandsführung“, gestrichen.

Reichart wird im MKV-Gesamtverzeichnis des Jahres 1970 angeführt, er ist offenbar dort nicht ausgeschlossen worden.

Quellen und Literatur:

Verbindungsarchiv Norica. Causa Reichart (Georg Schmitz)
http://www.vorarlberg.at/landtag/landtag/recherche/recherche.htm (Abruf 17. 4. 2015).
Hartmann, Gerhard (Baj): Die Ära Chaloupka im österreichischen CV. Eduard Chaloupka als
Vorsitzender des ÖCV-Beirates und der Verbandsführung von 1955 bis zu seinem Tod 1967,
in: Für Volk und Glauben leben, Für Volk und Glauben leben. Festschrift für Eduard
Chaloupka. Hg. von Nicolaus Drimmel. Wien 2002, S. 115–127.