Lebenslauf:
Pichlers Vater stammte aus Kärnten – die Familie ist im Mölltal bis ins 15. Jahrhundert nachweisbar – und fiel im Ersten Weltkrieg, so daß ihn die Mutter alleine durchbringen mußte. Er besuchte zuerst das Privatgymnasium des Katholischen Schulvereins in der Semperstraße (18. Bezirk) und dann das öffentliche Gymnasium in der Gymnasiumstraße (19. Bezirk). In dieser Zeit wurde er 1919 bei der katholischen Pennalie (später MKV) Herulia aktiv. Im selben Jahr wurde er auch Gründungsobmann des Christlich-Deutschen Studentenbundes (CDSB), der in der unruhigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg versuchte, in Wien die katholischen Gymnasiasten zu sammeln.
Nach der Matura im Jahr 1921 mit Auszeichnung trat Pichler in das Wiener Priesterseminar ein und begann das Studium an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien (Dr. theol. 1932), wo er der Nibelungia beitrat (Couleurname Gottschalk). Am 19. Juli 1925 wurde er von Friedrich Gustav Kardinal Piffl (Wl EM) zum Priester geweiht. Danach war er bis 1928 Kaplan in Puchberg am Schneeberg (Bezirk Neunkirchen, Niederösterreich) und dann bis 1931 in Wien-Breitenfeld (8. Bezirk).
Daneben betrieb Pichler jedoch weitere Studien an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (Geschichte, Philosophie, Psychologie) und legte die Lehramtsprüfung für das Fach Religion an Gymnasien ab. Ab 1931 war er Religionsprofessor am Realgymnasium in Wien-Brigittenau, wo Alois Hinner (NdW) Direktor war. Einer seiner Schüler dort war der spätere Universitätsprofessor Herbert Braunsteiner (NbW).
Nach dem Anschluß im März 1938 wurde Pichler unter Hausarrest sowie außer Dienst gestellt. Am 29. Juni 1938 wurde er als Religionsprofessor vorzeitig pensioniert. Ab 1, September 1938 war er Pfarrer von Ebenfurth (Bezirk Wiener Neustadt-Land, Niederösterreich), wurde dann aber mit 1. September 1944 zum Pfarrverweser von St. Rochus und Sebastian (Wien-Landstraße) ernannt. Dort wirkte er als Kommunikations- und Informationszentrum für viele Angehörige des ÖCV und des MKV. Er hatte Kontakt zu Widerstandskreisen um den „Österreichischen Kampfbund“ und um Felix Hurdes (NbW EM), dem späteren Unterrichtsminister und ersten Generalsekretär der ÖVP.
Daher wurde Pichler mehrmals von der Gestapo vorgeladen, ein Prozeß gegen ihn konnte aber niedergeschlagen werden. Besonders bemühte er sich in der Nazi-Zeit um jene, deren „Arier-Nachweis“ nicht ganz den Bestimmungen der NS-Gesetzgebung entsprach, in dem er ohne Rücksicht auf die Matriken katholische Vorfahren ausstellte. In den letzten Kriegstagen versteckte er in den Kellern der Rochuskirche zahlreiche desertierte Soldaten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Pichler als Religionsprofessor wieder rehabilitiert und schied am 31. Juli 1946 als Pfarrverweser von St. Rochus aus. Er unterrichtete zuletzt am Gymnasium in der Wasagasse (9. Bezirk) und wurde mit 1. Juli 1949 zum Diözesaninspektor für die Höheren Schulen für den niederösterreichischen Anteil der Erzdiözese Wien (Viertel unter dem Manhartsberg) sowie für die Privatgymnasien ernannt. In dieser Zeit verfaßte er auch ein Schulbuch für den Religionsunterricht in der Oberstufe der Höheren Schulen und arbeitete an der Herausgabe des speziell für Gymnasiasten herausgebrachten Lieder- und Gebetbuchs „Cantate–Orate“ mit.
Am 1. Dezember 1961 wurde Pichler zum infulierten Propst (und damit Pfarrer) der Wiener Votivkirche ernannt, welche Funktion er bis Ende 1969 ausübte. Während dieser Zeit setzte er dort bei zu erneuernden Glasfenstern der Nibelungia ein Denkmal. Das eine zeigt Chargierte der Nibelungia neben der Monstranz während des Eucharistischen Weltkongresses 1913 in Wien, das andere Heinrich Maier (NbW), wie er im KZ Mauthausen an der berüchtigten Todesstiege einem Häftling die Beichte abnimmt. Pichler war an der Votivkircher der letzte Propst dieser Art, denn nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil standen die Pontifikalien nur mehr den Bischöfen sowie den Äbten und Pröpsten als Vorsteher von Klöstern zu. Danach war er noch als Seelsorger in einem Frauenkloster tätig.
Pichler engagierte sich seit seiner Gymnasialzeit für die katholischen Pennalien. Nach der Gründung des MKV (1933) wurde er am 29. Oktober 1934 dessen Verbandsseelsorger, welche Position er nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1952 ausübte. Sein Nachfolger wurde Karl Fuchs (Baj). Daher wurde er Ehrenphilister folgender MKV-Verbindungen: Asciburgia Oberschützen, Babenberg Klagenfurt, Bamberg Feldkirchen, Gothia Seckau, Guelfia Wien, Ostaricia Wien, Ostgau Wien, Riegersburg Fürstenfeld, Rugia Waidhofen/Thaya, Sponheim Wolfsberg, Tegetthoff Wien, Tressenstein Bad Aussee, Vindobona I Wien und Vindobona II Wien sowie der ehemaligen MKV-Verbindungen Mercuria Oberwart und Teurnia-Ortenburg Spittal/Drau. Darüber hinaus war er auch Mitglied der Katholisch-Österreichischen Landsmannschaften Starhemberg Wien und Austria-Salzburg.
Picher erhielt 1952 den Titel eines Päpstlichen Ehrenkämmerers und den eines Hofrates. Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof (Priestergräber) beigesetzt.
Werke:
Elternweihe. Eine Brautlehre (1948).Geschichte der Kirche. Lese- und Arbeitsbuch zum Unterricht für die Oberstufe der Österreichischen Mittelschulen (1954, 4. Aufl. 1963).
Gott lebt in uns (1963).
Die Votivkirche in Wien „Zum göttlichen Heiland“. Beschreibung der Geschichte, Bedeutung und Kunstwerke der Kirche (1968).
Quellen und Literatur:
Diözesanarchiv Wien. Priesterdatenbank.Verbindungsarchiv Nibelungia (Gottfried Mazal, Mitteilung 4. 4. 2015).
Hundert (100) Jahre Nibelungia. Festschrift zum hundertsten Stiftungsfest der Katholisch-Österreichischen Studentenverbindung Nibelungia zu Wien im ÖCV. Wien 2008, S. 20–22.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 252f.