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LAbg. RA Dr. Josef Wackernell, Edler von Rechtenthurn

LAbg. RA Dr. Josef Wackernell, Edler von Rechtenthurn

Urverbindung: Austria Innsbruck (15.06.1865)

Geboren: 13.10.1842, Innsbruck
Gestorben: 21.01.1921, Innsbruck
Landtagsabgeordneter (Tirol), Rechtsanwalt, Obmann des Katholischen Volksvereins in Tirol, Mitglied des Staatsgerichtshofes

Lebenslauf:

Wackernell wurde als Sohn eines Vergolders geboren und absolvierte 1861 das Gymnasium in Innsbruck. Danach studierte er an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck (Dr. iur. 1866), wo er der Austria beitrat (Couleurname Cato) und somit noch der Gründergeneration angehörte. Er bekleidete zwar keine aktiven Chargen, war jedoch in den Wintersemestern 1873/74 und 1877/78 Philistersenior. Nach dem Studium schlug Wackernell die Rechtsanwaltslaufbahn ein und war von 1866 bis 1877 Konzipient. Danach eröffnete er in Innsbruck eine eigene Kanzlei.

Wackernell stieß bald zu den in Tirol dominierenden Katholisch-Konservativen und wurde bereits 1877 in den Tiroler Landtag gewählt, dem er vom 9. April 1877 bis zum Ende der Monarchie angehörte. 1877 bis 1895 war er Vertreter des Landgemeindebezirks Bruneck, 1896 bis 1908 des Landgemeindebezirks Kitzbühel, 1908 bis 1918 des Großgrundbesitzes. 1918/19 war er Mitglied der provisorischen Landesversammlung

1883 wurde Wackernell zum Obmann des Katholischen Volksvereins in Tirol gewählt, der die Parteiorganisation der Katholisch-Konservativen darstellte. Diese Funktion bekleidete er bis 1914. Von 1883 bis 1914 war er Mitglied des Landesausschusses, des Exekutivorgans der autonomen Landesverwaltung, einer Vorform der späteren Landesregierung. Hier war er von 1902 bis 1908 für die Finanzen zuständig war. Zeitweise war er auch Landeshauptmannstellvertreter (entsprach einem Landtagsvizepräsidenten). Auch gehörte er von 1886 bis 1898 dem Gemeinderat von Innsbruck an.

Wackernell bekleidete weitere zahlreiche Funktionen. So war er ab 1892 zeitweise Mitglied des Staatsgerichtshofes, der u. a. bei Ministeranklagen zuständig war. Weiters war er Mitglied des Landesschulrates und der Landesverteidigungsoberbehörde für Tirol und Vorarlberg, Oberkurator der Landeshypothekenanstalt und von 1893 bis 1919 Präsident des Verwaltungsrates der Lokalbahn Innsbruck – Hall.

Wackernell gehörte zu den profiliertesten Politikern der Katholisch-Konservativen in Österreich und tat sich besonders im Konflikt mit der aufstrebenden politischen Kraft der Christlichsozialen hervor, der sich besonders in Tirol („Tiroler Bruderkrieg“) zuspitze. Dort konnten unter der Führung des Brixener Theologieprofessors Ämilian Schöpfer (R-B EM) die Christlichsoziale Bewegung Fuß fassen und Anklang finden. Der Konflikt begann 1891, verschärfte sich 1898 und eskalierte 1901.

Wackernell konzipierte als Obmann der katholisch-konservativen Partei Tirols am 1. Juni 1903 einen Brief an den Papst, worin er die Kritik an den Christlichsozialen zusammenfaßte. Dieser Briefentwurf spiegelt sehr gut die Auseinandersetzungen und die Konfliktpunkte insgesamt wider; dort heißt es u. a.:
„Seitdem die Christlichsozialen als eigene politische Partei […], brachten sie einen Riß in die politische Einheit des Landes, welcher der Religion und dem Glauben schon großen Schaden verursacht hat. Zahlreich sind die Fälle, wo Pfarrer und Kooperator, oder Pfarrklerus und Pfarrgemeinde politisch entzweit sind und sich gegenseitig bekämpfen. Die katholisch-konservative Partei ist in Tirol die ursprünglichste. Dieser gehören heute noch alle Landesbischöfe an, alle Prälaten, die meisten Dekane und der größte Teil des älteren Klerus, ihr gehört der Adel und die gebildeten Stände, insoweit sie nicht deutschnational sind, an. Diese unsere Partei wird in neuester Zeit von den Christlichsozialen aufs heftigste bekämpft. Sie beruft sich bei diesem Kampf auf die päpstlichen Erlässe über die christliche Demokratie und täuscht damit viele Unwissende. […]

Dieser Briefentwurf steckt den auch außerhalb Tirols herrschenden Konfliktrahmen zwischen Katholisch-Konservativen und Christlichsozialen ab und ist insofern ein wichtiges Dokument, obwohl er als Brief offenbar nicht abgeschickt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg bekleidete Wackernell keine politischen Funktionen mehr.

Wackernell heiratete eine Tochter des Tiroler Landtagsabgeordneten Anton Ritter Petzer von Rasenheim (AIn EM), der auch Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung war. Seine Tochter Marianne heiratete Karl Mathis (AIn), der später Sektionschef im k. k. Landesverteidigungsministerium wurde. Er war das erste Urmitglied einer CV-Verbindung, der in Österreich Sektionschef war.

Wackernell wurde am 11. Juni 1904 in den niederen Adelsstand erhoben und erhielt den Namenszusatz „Edler von Rechtenthurn“. Er starb an einer Lungenentzündung, die Trauerrede am Grab hielt Kurt Schuschnigg (AIn).

Quellen und Literatur:

Gründungsgeschichte der akademischen Verbindung Austria-Innsbruck und die Füchse des Jahres 1864/65. Hg. gemeinsam mit Josef Hofinger (AIn) und Adolf Haas (AIn). Innsbruck 1935, 49f.
Kriss, Simon–Zathammer, Stefan: Austriae mortuis I. Die Verstorbenen Austrier der Rezeptionsjahrgänge von 1864–1910. Innsbruck 2024, 24 und 520.
Schober, Richard: Geschichte des Tiroler Landtages im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Beitrag von Eberhard Lang. Innsbruck 1984, 579, 584f.. 587.
Adelslexikon des Österreichischen Kaisertums 1804–1918. Hg. von Peter Frank-Döring. Wien 1989, 550.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, 101f.