Fehlende Bindungswirkung der EU
„Aus der Geschichte heraus ist die EU eine Wirtschaftsunion“, meint Mag. Demetrius Simitis, MBA von der Wirtschaftskammer. Dr. Andreas Unterberger, Chefredakteur der Wiener Zeitung, hingegen sieht jene Bindungskräfte verloren, welche die EU früher zusammengehalten hätten: der Vorsatz, nie wieder Krieg gegeneinander zu führen und die gemeinsame Angst vor der Bedrohung aus dem Osten. „Welche Bindungswirkung hat die EU heute noch?“, ist seine Frage. Er ortet eine große emotionale Distanz der Bürger zur EU und ein Legitimitätsdefizit: „Die EU wird scheinbar immer demokratischer, aber ich fürchte ein Festfressen und gegenseitiges Blockieren“.
Neue Mitglieder eine gewaltige Herausforderung
Skeptisch, was die Einstellung der Bevölkerung zur EU betrifft, ist auch Stefan Lienhart, Bakk. Vom ÖCV Lokalaugenschein, eine Studienreise in das neue EU-Land Bulgarien, berichtet er, die Menschen im Beitrittsland hätten zu wenig Informationen über die EU. Zwar könne man eine breite Zustimmung und Hoffnung erkennen, doch bestünde die Gefahr, „dass der EU wieder der Schwarze Peter zugeschoben wird, wenn nicht alles klappt und die überzogenen Erwartungen nicht erfüllt werden“.
„Die neuen EU-Staaten werden rascher aufholen, als wenn sie nicht in der EU wären“, ist sich Köck sicher. „Die Schweiz hat ein 25% langsameres Wirtschaftswachstum als Österreich“, liefert Unterberger repräsentative Zahlen als Beleg. Gleichzeitig glaubt er, die neuen Mitglieder würden die EU vor eine gewaltige Herausforderung stellen.
Aufklärung als Basis der EU
„Die Wirtschaft kann mit Prosperität aber auch einen Wertewandel hervorrufen“, gibt sich Simitis optimistisch. Über den reinen Warentausch würden zwischenmenschliche Barrieren abgebaut und es käme in der Folge auch zu einem Werteaustausch. Er sieht einen Beitritt der Türkei aus Sicht der Wirtschaft positiv.
Unterberger hingegen nennt die Aufklärung im Sinne der Existenz eines „Bereichs jenseits der Religion“ als entscheidende Basis der EU. Und hier gebe es mit der Türkei und dem „totalitären Anspruch“ des Islam ein Problem.
Breite Diskussion
Sehr erfreulich und für die lebhafte Diskussion äußerst förderlich war auch die stattliche Größe des Publikums. Unter der Moderation von Mag. DDr. Gabriele Russ wurden so zahlreiche Fragen geklärt und breiter Diskussionsstoff für das anschließende Buffet geschaffen. Der Ausklang fand auf der Bude e.s.v. K.Ö.H.V. Carolina statt.