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Alexander Joseph Graf Kolowrat-Krakowsky

Alexander Joseph Graf Kolowrat-Krakowsky

Geboren: 29.01.1886, Glen Ridge (Essex County, State New Jersey, USA)
Gestorben: 04.12.1927, Wien
Aus dem CV ausgeschieden, Präsident der Sascha-Film AG Wien

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

„Sascha“ Kolowrat entstammte einer alten böhmischen Adelsfamilie, die 1671 in den Grafenstand erhoben wurde und gehörte dem 2. Ast der I. Linie an. Er wurde als Sohn des Leopold Graf Kolowrat-Krakowsky und der Nadine, geb. Freiin von Huppmann-Valbella, geboren. Dieser war zwischen 1907 und 1910 (Tod) für die Deutschen Agrarier Abgeordneter des österreichischen Reichsrates und Fideikommißherr auf Teinitzl (Bezirk Klattau, Westböhmen; nunmehr Týnec bzw. Klatovy). Seine Geburt in den USA hatte folgenden Hintergrund: In einem Duell erschoß sein Vater einen Prinzen Auersperg, der dessen Braut – die spätere Mutter Kolowrats – beleidigt hatte. Nach den damaligen Usancen mußte der betreffende Duellant für einige Jahre ins Exil. Kolowrats Großvater war Feldmarschalleutnant Leopold Graf Kolowrat-Krakowsky

Kolowrat besuchte die Gymnasien in Mies (Bezirk Tachau, Westböhmen; nunmehr Stríbro bzw. Tachov), Kalksburg bei Wien und das Theresianum in Wien. Nach seiner Matura war er Einjährig-Freiwilliger beim böhmischen k. u. k. Dragonerregiment Prinz Eugen von Savoyen Nr. 13 (Leutnant der Reserve). Da er der älteste Sohn und künftige Erbe der Besitzungen war, begann er ein agrarwissenschaftliches Studium an der katholischen Universität Löwen (Leuven, Belgien), wo er Anfang 1906 der Katholisch-akademischen Verbindung Lovania beitrat (Couleurname Rodenstein). Ein genaues Rezeptions-Datum ist nicht eruierbar. Er wird erstmals in einem der „Academia“ beigelegten Mitgliederverzeichnis vom 2. Juli 1906 erwähnt.

Die Lovania wurde Anfang 1896 von einem Löwener Theologieprofessor und Angehörigen der Bavaria Bonn gegründet. Ein Bedarf war insofern gegeben, weil zahlreiche katholisch orientierte Studenten nach Löwen zum Studium gingen. Zum einen war es der gute Ruf dieser Universität, zum andern auch die kulturkämpferischen Zustände in Preußen bzw. in Deutschland. Bereits auf der Cartellversammlung 1897 in Landshut (Bayern) wurde die Lovania als befreundete Verbindung in den CV aufgenommen (erste Vorform der vollberechtigten Mitgliedschaft). Im Ersten Weltkrieg ging die Lovania unter. Erst 1996 – hundert Jahre nach ihrer Entestehung – wurde sie wieder begründet und neuerlich befreundete Verbindung des CV.

Kolowrat war, wie zu sehen sein wird, eine sehr agile und umtriebige Persönlichkeit, die nicht unbedingt für ein konsequentes Studium geeignet war. Er gab das Agrar-Studium bald wieder auf und verließ Löwen. Die Lovania meldete im Mai 1907 in der „Academia“. daß er freundschaftlich entlassen wurde.

„SASCHA“

KOLOWRAT ALS FILMPIONIER

Untrennbar ist Kolowrats Name mit der Entstehung des Films, der Kinematographie, verbunden. 1909 traf er in Paris den französischen Filmhersteller Charles Pathé und wurde für dieses neuen Medium begeistert. Noch im selben Jahr filmte er privat ein Autorennen am Semmering. Als 1910 sein Vater verstarb, erbte er dessen Vermögen als Fideikommißherr und gründete auf einer seiner Besitzungen, im Schloß von Groß Meierhöfen (Bezirk Tachau, Westböhmen, nunmehr Velké Dvorce bzw. Tachau, numehr Ortsteil von Pfraumberg/Primda), die Sascha-Film-Fabrik und errichtete ein Filmlaboratorium.

1912 übersiedelte Kolowrat mit seiner Firma nach Wien und produzierte in Engerthstraße (Brigittenau). Unter seiner Produktionsleitung wurden Dokumentar-, Sport-, Natur- und Spilstummfilme hergestellt. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er eingezogen und zuerst dem k. u. k. Automobilkorps zugewiesen. 1915 wechselte in das k. u. k. Kriegspressequartier in Wien und stellte Wochenschau- und Propagandafilme her. 1916 erbaute er in Wien Sievering das erste Film-Großatelier, das bis nach 1945 in Betrieb waren.

1918 wandelte Kolowrat seine Sascha-Film-Fabrik in die Sascha-Filmindustrie AG um, und es begann nun die Hochblüte der Kolowratschen Produktion von Stummfilmen. Dabei entdeckte bzw. verpflichtete er später berühmt gewordene Schauspieler und Regisseure, wie Marlene Dietrich, Willi Forst, Hubert Marischka und Fritz Kortner. Filmhistorisch bahnbrechend war die Einführung von Massenszenen (sog. Monumentalfilme), wie sie dann in den Hollywood-Filmen der fünfziger und sechziger Jahre typisch wurden. So drehte er auf dem Freigelände des Wiener Laaer Bergs 1922 den Stummfilm „Sodom und Gomorrha“. 1920 ließ er zwecks Außenaufnahmen westlich der Rotunde auf dem heutigen Messegelände Alt-London nachbauen.

Nach dem Tod Kolowrats war die Hochblüte der Sascha-Film vorbei. 1938 ging sie in die Wien-Film auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand sie als Filmverleih- bzw. –vertriebsfirma wieder und ist den Kinobesuchern der fünfziger und sechziger Jahre durch den entsprechenden Filmvorspann in Erinnerung. Zur Sascha-Film gehörten in Wien auch das Eos-Kino (Landstraßer Hauptstraße) und das Stafa-Kino (Gumpendorfer Straße), in denen auch Filmpremieren von Sascha-Filmen stattfanden.

KOLOWRAT ALS AUTOMOBILIST

Angeregt durch seinen Vater, der Mitbegründer des Österreichischen Automobil-Club (ÖAMTC) war, entdeckte Kolowrat schon sehr früh seine Leidenschaft für das Auto bzw den Auto- und Morradrennsport. Ab 1905 beteiligte er sich regelmäßig an den Motorradrennen auf dem Semmering, wo er meistens gewann. Dadurch kam er auch in Berührung mit der damals aufstrebenden Automobilindustrie. Noch vor dem Krieg beteiligte er sich an der Motorfahrzeugfabrik Laurin & Klement AG in Jungbunzlau (Mladá Boleslav). Diese Firma war sehr erfolgreich und erreichte vor dem Krieg 35 Prozent der gesamten österreichischen Autoproduktion, wobei sehr stark auch nach Rußland exportiert wurde. 1925 wurde die Firma an die in Pilsen ansässigen Skoda-Werke verkauft, die dann in Jungbunzlau mit der Autoproduktion begannen.

Nach dem Krieg entwickelte Kolowrat gemeinsam mit Ferdinand Porsche, der damals bei den Austro-Daimler-Werken in Wiener Neustadt beschäftigt war, einen leichten, kleinen Volkswagen, der mit einem 1,1-Liter Vierzylinder Motor ausgestattet war und „Sascha“ genannt wurde. Mit diesem gewann Kolowrat mehrere Autobergrennen. Dieses Auto wurde jedoch nicht in größerer Stückzahl gebaut, weil dazu die Mittel fehlten. Aber es war für Porsche Ausgangspunkt von Konstruktionen, die später weltberühmt wurden.

Mitte 1927 wurde bei Kolowrat eine Krebserkrankung entdeckt. Eine rasche Operation brachte Hilfe, so daß sich sein Zustand verbesserte. Im Laufe des Spätherbst verschlimmerte sich jedoch dieser, so daß er am Samstag, dem 4. Dezember 1927, neuerlich operiert wurde. Doch vergebens, am Sonntagabend starb er. Die Exequien fanden am 6. Dezember in der Wiener Schottenkirche statt. Am 8. Dezember wurde er in der Familiengruft auf Schloß Teinitzl beigesetzt.

Kolowrat war mit Sonja, Fürstin Trubetzkoya, der Tochter eines russischen Generals verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Seine Firmenanteile erbte sein Bruder Heinrich, der die Sascha-Film auch eine zeitlang weiterführte. Angeblich soll die in den sechziger Jahren populär gewordene Witzfigur des „Grafen Bobby“ auf ihn zurückgehen.


Quellen und Literatur:

Ac 19 (1906/07), Beilage vom 2. Juli 1906, S. 29 (Mitgliederverzeichnis) und 20 (1907/08), S. 26
Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1912. Gotha o. J. (1912), S. 479f.
Neue Freie Presse, 5. 12. 1927, S. 6.
Reichspost, 6. 12. 1927, S. 4.
Seherr-Thoß, Hans Christoph: Alexander Graf Kolowrat-Krankowsky, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 474 (Online-Version Abruf 22. 7. 2017).
Schieweck-Mauk, Siegfried: Lexikon der CV- und ÖCV-Verbindungen. Die Korporationen und Vereinigungen des Cartellverbands der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV) und des Cartellverbands der katholischen österreichischen Studentenverbindungen (ÖCV) in geschichtlichen Kurzdarstellungen. Vierow 1997, S. 444f.
Gatscher-Riedl, Gregor (NbW): Graf Bobby als Couleurstudent, in: Österreichische Academia 57 (2006), März, S. 34f.
TV-Media Nr. 17/2020, S. 124f.