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Dir. Dr. Johann Gruber

Dir. Dr. Johann Gruber

Urverbindung: Norica (04.12.1919)

Geboren: 20.10.1889, Tegernbach (nunmehr Gemeinde Schlüßlberg, Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich)
Gestorben: 07.04.1944, im KZ Gusen (Oberösterreich) ermordet
NS-Opfer, Weltpriester
Politische Haft: 1938 Untersuchungshaft Linz, 1938 bis 1940 Strafanstalt Garsten, 1940 KZ Dachau, 1940 bis 1944 KZ Mauthausen/Gusen

Lebenslauf:

Gruber verlor als Kind innerhalb einer Woche seine Eltern und war damit Vollwaise. Mit Unterstützung des Dechants von Grieskirchen konnte er 1910 als Zögling des Bischöflichen Knabenseminars Petrinum in Linz das Gymnasium absolvieren. Danach trat er in das Linzer Priesterseminar ein, begann das Studium an der dortigen Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt und war nebenbei Präfekt im Schülerheim Salesianum. Am 27. Juli 1913 wurde er in Linz zum Priester geweiht. Nachdem er im Sommer 1914 das Studium beendet hatte, war er als Kaplan an verschiedenen Orten tätig und auch als k. u. k. Feldkurat eingesetzt.

Nach dem Krieg kurz im Schuldienst begann Gruber auf Veranlassung des Bischofs für das gymnasiale Lehramt in Französisch, Geschichte und Geographie das Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (Dr. phil. 1923), wo er der Norica beitrat. Nach Ablegung der Lehrbefähigungsprüfungen für Volks- und Hauptschulen sowie für Gymnasien unterrichtete er in Linz an der bischöflichen Lehrerbildungsanstalt, am Gymnasium der Kreuzschwestern und an anderen katholischen Privatschulen.

Am 1. November 1934 wurde Gruber zum Direktor des katholischen Blindeninstituts in Linz-Urfahr ernannt. Er war aufgrund seiner Grundeinstellung strikt antinationalsozialistisch eingestellt trat für die Selbständigkeit Österreichs ein und machte aus seiner diesbezüglichen Meinung auch keinen Hehl, was ihm nach dem Anschluß zum Verhängnis wurde.

Am 9. Mai 1938 wurde Gruber von einem seiner ihm unterstellten Lehrer bei der Gestapo angezeigt. Neben politisch motivierten Äußerungen (u. a. „Scheiß-Inquart“) wurden ihm vor allem sittliche Verfehlungen vorgeworfen. Angeblich hätte er blinde Mädchen unsittlich berührt. Daraufhin wurde er am 10. Mai in Untersuchungshaft genommen. Für die Nationalsozialisten, die in Deutschland Mitte der dreißiger Jahre durch Sittlichkeitsprozesse gegen den katholischen Klerus ihre Kirchenfeindlichkeit demonstrierten und diese propagandistisch ausnützen, war das ein willkommener Anlaß, diese Strategie auch im nunmehr angeschlossenen Österreich weiterzuverfolgen. Allerdings muß man der historischen Wahrheit halber festhalten, daß die in Deutschland dabei erhobenen Vorwürfe weitgehend den Tatsachen entsprochen hatten.

Am 3. August 1938 wurde Gruber zu drei Jahren schweren Kerkers verurteilt. Im Rahmen eines Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Linz im Januar 1939 wurde er wegen NS-feindlicher Äußerungen und wegen der „Verwerflichkeit seines Charakters“ zu zwei Jahren Kerkers verurteilt. Eine weitere Berufung an das Reichsgericht in Leipzig wurde dort im Juni 1939 verworfen. Gruber verbüßte seine Strafe in der oberösterreichischen Strafanstalt Garsten und wurde von dort am 8. Februar 1940 bedingt entlassen sowie der Gestapo übergeben.

Diese überstellte Gruber am 6. April 1940 zwecks „Strafauffüllung“ als politischer Häftling in das KZ Dachau (das in „Farbe tragen“ – siehe unten unter Literatur – genannte Datum 4. April entspricht nicht den Daten des KZ Dachau [Dachau Concentration Camp Records]). Von dort kam er bereits am 16. August 1940 in das KZ Mauthausen bzw. in dessen Außenlager Gusen (zwischen Mauthausen und Linz-Urfahr). Bereits am 20. August wurde er Pfleger am dortigen Krankenrevier, wobei ihm immer wieder die illegale Beschaffung von Medikamenten gelang. Daneben organisierte er eine heimliche Betreuung von inhaftierten Kindern und Jugendlichen und erteilte sogar Schulunterricht.

Ab dem Frühjahr 1943 war es Gruber möglich, im Rahmen von Arbeitseinsätzen außerhalb des Lagers einerseits schriftliche Berichte über die Zustände im Lager rauszuschmuggeln, andererseits Geld und sonstige Güter zu Hilfszwecken reinzuschmuggeln. Damit konnte er vielen Häftlingen unterschiedlicher Nationalität helfen, von denen er den Ehrentitel „Papa Gruber“ erhielt. Dies flog im März 1944 auf, nachdem ein an den Linzer Bischof gerichteter Brief in der Linzer Straßenbahn versehentlich gefunden wurde. Gruber wurde daraufhin am 4. April 1944 in den Lagerarrest gesperrt und drei Tage lang gequält. Man gab ihm einen Strick in der Hoffnung, daß er sich das Leben nehmen werde, um den weiteren Qualen zu entgehen.

Am Karfreitag, dem 7. April 1944, wurde Gruber mit Stacheldraht gegeißelt, durch 17 Bajonettstiche schwer verwundet und vom Lagerkommandanten Fritz Seidler mit den Worten, „Du sollst verrecken wie dein Meister!“, solange malträtiert, bis er starb. Sein Leichnam wurde daraufhin an einen Baum gehängt, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Als seine letzten Worte wurden überliefert: „Danke mein Gott“ – „Der Krieg ist sowieso für euch verloren.“ Erst ein knappes Jahr später – kurz vor Ende des Krieges – wurde seitens der Lagerleitung das Bischöfliche Ordinariat verständigt, daß Gruber Selbstmord verübt hätte und daß seine Asche abgeholt werden könne. Überlebende Häftlinge berichteten dann am 5. Mai 1945, einen Tag nach der Befreiung, dem Ordinariat vom tatsächlichen Hergang des Martyriums von Gruber.

Seit 1987 wird von Überlebenden des KZ Mauthausen bzw. Gusen ein Seligsprechungsprozeß für Gruber angestrengt. Der österreichische Künstler Alfred Hrdlicka widmete ihm 1994/95 14 Radierungen, die in dem 1995 erschienenen Band von Wolfgang Bandion (Nc) – siehe unten unter Quellen und Literatur – abgedruckt sind. Im Dezember 2001 wurde durch Landeshauptmann Joseph Pühringer (Se EM) eine Gedenktafel für Gruber in jenem Blindeninstitut enthüllt, wo er Direktor war. Eine solche wurde 2006 auch am Friedhof Grieskirchen, Priestergräber, angebracht.

Erst 1998 wurde auf Antrag der politische Teil des seinerzeitigen Urteils durch die NS-Justiz vom Landesgericht Linz aufgehoben. Am 7. Januar 2016 wurde vom Landesgericht für Strafsachen in Wien jener Teil des Urteils aufgehoben, der das zu Last gelegte Sittlichkeitsdelikt betraf, weil es politisch motiviert gewesen sei.

Unabhängig davon bleiben von ihm seine unermüdlichen und vorbildhaften Hilfestellungen in der kaum vorstellbaren furchtbaren Situation im KZ-Außenlager Gusen. Mit diesen hat er einer Unzahl von Häftlingen geholfen, zumindest zeitweise das Überleben gesichert und Trost sowie Hoffnung in dieser unsäglichen Situation vermittelt. Und es bleibt auch vor allem sein unermeßliches Leiden am Karfreitag des Jahres 1944. Gedenktafeln im KZ Mauthausen und auf dem Verbindungshaus der Norica erinnern an ihn.

Quellen und Literatur:

Foto: © https://www.dioezese-linz.at/dl/ostOJKJllkmmJqx4mJK/Radierung-Gruber_Portrait.jpg(abgerufen am 07.07.2022)
Mitterndorfer, Johann: Oberösterreichische Priester in Gefängnis und Konzentrationslager zur Zeit des Nationalsozialismus. Linz 1976, S. 45f.
Bandion, Wolfgang J. (Nc) : In memoriam Johann Gruber, in: Christlich motivierter Widerstand. Hg. von Gerald Scheidl (Am) (= Academia Heft IA/1988). Wien o. J. (1988), S. 62–68.
Zellhofer, Klaus (Merc): Ein Gesandter des Himmels und der Hölle, in: Österreichische Academia 46 (1995), Heft 2, S. 27f.
Bandion, Wolfgang J. (Nc): Johann Gruber, Mauthausen-Gusen 7. April 1944. Wien 1996.
Wagner, Helmut: Dr. Johann Gruber. Priester–Lehrer–Patriot (1989–1944). Linz 2011.
www.kathpress.at/goto/meldung/1341169, 26. 1. 2016.
Oberösterreichische Nachrichten, 2. 2. 2015.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 105–107.