Lebenslauf:
Bickell wurde als Sohn des Professors für Kanonisches Recht in Marburg/Lahn und Justizministers des dann 1866 von Preußen annektierten Kurfürstentums Hessen (Hessen-Kassel), Johann Wilhelm Bickell, geboren und evangelisch-reformiert getauft. Bickell absolvierte 1857 in Marburg das Gymnasium und begann danach das Studium an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Marburg (Staatsexamen 1861). In der Folge studierte er Sprachwissenschaften an den Philosophischen Fakultäten der Universitäten Marburg und Halle/Saale (Dr. phil 1861).
Bereits 1862 habilitierte sich Bickell als Privatdozent an der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg für semitische und indogermanische Sprachen. 1862/63 war er zum Studium orientalischer Sprachen in London. 1863/64 hielt er in diesen Fächern Vorlesungen an der Universität Marburg und ab 1864 an der Universität Gießen, wo er sich 1863 zusätzlich für Altes Testament habilitiert hatte.
Bickell beschäftigte sich mit frühchristlichen syrischen Texten, insbesondere mit Ephräm den Syrer, und fand dort Zeugnisse für die Unbefleckte Empfängnis Mariens, die 1854 von Papst Pius IX. als Dogma verkündet wurde. Das brachte ihn zur katholischen Glaubensüberzeugung. Er konvertierte daher am 5. November 1865 in Neustadt (nunmehr Landkreis Marburg-Biedenkopf, Hessen) zum katholischen Glauben, trat in das Priesterseminar in Fulda ein und wurde dort im Herbst 1867 zum Priester geweiht.
In der Folge lehrte Bickell an der Universität Münster semitische Sprachen und wurde dort 1871 zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt. In dieser Zeit war er ein Verfechter des Unfehlbarkeitsdogmas, wie es 1870 auf dem I. Vatikanischen Konzil verkündet wurde. 1874 wurde er zum ordentlichen Universitätsprofessor für Christliche Archäologie und Semitische Sprachen an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck berufen und dort 1876 auch zum Dr. theol. promoviert. In der Folge kam er in Kontakt mit der Austria. (Die dort gelegentlich verwendete Schreibweise seines Namens Bickel ist jedoch fehlerhaft.)
1891 wurde Bickell zum ordentlichen Universitätsprofessor für Semitische Sprachen an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien ernannt. Er war seit 1892 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien und zu seiner Zeit einer der besten Kenner der Syrischen Sprache. In späteren Jahren befaßte er sich mit der biblisch-hebräischen Metrik, jedoch setzten sich seine Auffassungen nicht durch. Bickell wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.
1921 wurde ein Porträtrelief Bickells von Karl Nickmann im Arkadenhof der Universität Wien enthüllt und 1922 in Wien-Meidling eine Gasse nach ihm benannt.
Werke:
(Auswahl)S. Ephraemi Syri Carmina Nisibena (1866).
Grundriß der hebräischen Grammatik (1869/70).
Gründe für die Unfehlbarkeit des Kirchenoberhaupts (1870).
Messe und Pascha (1872).
Schriften und Gedichte syrischer Kirchenväter (1872).
Dichtungen der Hebräer nach dem Versmaß des Urtextes. Drei Bände (1882/84).
Der Prediger (Kohelet) über das Wesen des Daseins (1886).
Das Buch Job (1894).
Quellen und Literatur:
Academia 4 (1891/92), 201.Austrier-Blätter Nr. 17, 1948, 312.
Kriss, Simon–Zathammer, Stefan: Austriae mortuis I. Die Verstorbenen Austrier der Rezeptionsjahrgänge von 1864–1910. Innsbruck 2024, 104f.
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Band 1, Wien 1957, 81.
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band 1 (1990), 579–580.
Personenlexikon zur Christlichen Archäologie. Forscher und Persönlichkeiten vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Band I. Regensburg 2012, 186.
www.uibk.ac.at/alte-geschichte-orient/institutsgeschichte/altorientalistik/gustav.bickell
Bickell, Gustav, in: Hessische Biographie: www.lagis-hessen.de/pnd/116161965 (Stand: 17. 10. 2013)