Lebenslauf:
HERKUNFT, KRIEG UND AUSBILDUNG
Gorbach wurde als Sohn eines Bahnbeamten geboren. Die Familie, die väterlicherseits von Bauern in Vorarlberg abstammte, übersiedelte berufsbedingt 1900 nach Wörschach (Ennstal). Der Vater, ein überzeugter Anhänger der Christlichsozialen, wollte, daß Gorbach Priester werde. Daher trat er ins fürstbischöfliche Gymnasium in Graz ein. 1916 unterbrach er die Schulausbildung und mußte zum Infanterieregiment Feldmarschall Ludwig Graf von Khevenhüller Nr. 7, dem Klagenfurter Hausregiment, einrücken, dessen Ersatzbataillon in Hartberg stationiert war.
Während der 12. Isonzoschlacht wurde Gorbach am 5. November 1917 als Zugsführer eines Stoßtruppunternehmens schwer verwundet, so daß sein rechtes Bein amputiert werden mußte. Daraufhin war er frontuntauglich und wurde als Leutnant der Reserve entlassen (Auszeichnungen: große silberne Tapferkeitsmedaille, silberne Tapferkeitsmedaille, Karl-Truppenkreuz). Hierauf konnte er noch während des Krieges die Matura ablegen.
Danach studierte Gorbach Jus an der Grazer Universität (Dr. iur. 1922), wo er der Carolina beitrat (Couleurname Tilly). Hier engagierte er sich 1920 bei der Gründung der Tochterverbindung Babenberg Graz, wo er die ersten drei Semester hintereinander Fuchsmajor und im WS 1921/22 zusätzlich noch Senior war. Aufgrund letzterer Position war er 1921/22 für den Katholisch-Deutschen Akademikerausschuß (KDAA) Spitzenkandidat bei den Wahlen für die Studentenvertretung an der Universität (Kammer der Deutschen Studentenschaft).
BERUFLICHER WERDEGANG, EINSTIEG IN DIE POLITIK UND STÄNDESTAAT
Nach Abschluß des Studiums und dem Gerichtsjahr trat Gorbach in den Landesdienst ein, dem er formell bis zu seiner Pensionierung als wirklicher Hofrat angehörte. Zuerst war er in der Invalidenentschädigungskommission tätig. Als Engagierter geriet er bald in die Politik. 1928 kandidierte er für die Christlichsozialen auf einem umkämpften Mandat für den Grazer Gemeinderat und wurde gewählt. Er gehörte ihm bis 1932 an. 1930 übernahm er den Grazer Stadtschulrat.
Entscheidend für Gorbach war das Jahr 1933, als er zum Landesleiter der Vaterländischen Front (VF) der Steiermark ernannt wurde. Ende 1934 wurde er in den Ständischen Landtag der Steiermark als Vertreter des Öffentlichen Dienstes berufen, dem er bis zum Anschluß 1938 angehörte. Ein weiterer Sprung war, als er am 1. April 1937 zum Landesrat ernannt wurde, welche Funktion er bis zum 11. März 1938 ausübte. Als solcher war er für die „körperliche Ertüchtigung sowie den Heimat- und den Naturschutz“ zuständig. Als Landesleiter der VF gehörte er gemeinsam mit Landeshauptmann Karl M. Stepan (Nc) in dieser Zeit zu den führenden Politikern der Steiermark. Beiden gemeinsam war eine strikte Abgrenzungspolitik bzw. Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, standen sich aber persönlich nicht sehr nahe. Auf Gorbach wurde 1937 ein Bombenanschlag von Nazis verübt.
In den letzten Wochen vor dem Anschluß war Gorbach dabei besonders gefordert. So organisierte er für den 27. Februar 1938 eine Gegendemonstration zu einer Kundgebung der Nazis. Weil er dies ohne Genehmigung von Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (AIn) bzw. der Bundesleitung der VF tat, wurde er am 28. Februar seines Amtes als Landesleiter der VF enthoben. Er verließ noch am selben Tag Graz und begab sich nach Wien.
HAFT UND KONZENTRATIONSLAGER
Gorbach erlebte dadurch den Anschluß in Wien. Am 16. März 1938 wurde er bei einem Spaziergang auf der Rotenturmstraße von einem Bekannten erkannt („Das ist dieses Schwein!“), verhaftet und ins Polizeigefängnis Wien gebracht. Am 1./2. April war er beim ersten sog. Prominententransport ins KZ Dachau dabei. An dem inzwischen legendären „Festsalamander“ in der KZ-Kantine anläßlich des 50. Gründungstages der Carolina, den Alfred Maleta (Cl) organisierte, nahm er nicht teil, da er zu diesem Zeitpunkt im „Bunker“ einsitzen mußte.
Bekannt und in vielen historischen Darstellungen zu finden ist jenes Bild, das Gorbach gemeinsam mit Karl M. Stepan (Nc) im KZ Dachau in Häftlingskleidung zeigt. Obwohl Gorbach im Ersten Weltkrieg schwer verwundet wurde und beinamputiert war, hinderte das die Nazis nicht, ihn ins KZ zu stecken. Dort schloß er auch Freundschaft mit dem späteren SPÖ-Politiker (Gewerkschaftspräsident, Innenminister) Franz Olah.
Nachdem Gorbach am 27. September 1939 ins KZ Flossenbürg verlegt wurde und von dort am 2. März 1940 nach Dachau zurückkehrte, wurde er am 12. November 1942 aus dem KZ entlassen. Er kehrte nach Graz zurück und war dort als Hilfsarbeiter tätig. Im Gefolge des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 wurde er im August 1944 neuerlich verhaftet und am 4. November ins KZ Flossenbürg gebracht. Nachdem dieses am 20. April 1945 aufgelassen wurde, wurde er ins KZ Dachau überstellt, wo er die Befreiung durch US-Truppen am 29. April 1945 abends erlebte. Er war insgesamt mehr als fünf Jahre und vier Monate in Haft, davon 101 Tage in Dunkelhaft.
WIEDEREINSTIEG IN DIE POLITIK
Nach seiner Heimkehr in die Steiermark ging Gorbach wieder in den Landesdienst zurück und wollte ursprünglich nicht mehr politisch tätig werden. Er wurde jedoch gebeten, sich an der Gründung der steirischen ÖVP zu beteiligen. Bereits im Juni 1945 wurde er geschäftsführender Landesparteiobmann bzw. dann am 16. Juni 1946 zum Landesparteiobmann gewählt, welche Funktion er bis zum 7. November 1965 ausübte. Dadurch folgten politische Funktionen. Für die ersten Nationalratswahlen im Herbst 1945 wurde er Spitzenkandidat der ÖVP im Wahlkreis Graz. Dem Nationalrat gehörte er dann fast 25 Jahre vom 19. Dezember 1945 bis zum 31. März 1970 an.
Aufgrund innerparteilicher Proporzüberlegungen wurde Gorbach gleich zum Dritten Präsidenten des Nationalrats gewählt. Diese Funktion bekleidete er vom 19. Dezember 1945 bis zum 18. März 1953 sowie vom 8. Juni 1956 bis zum 19. April 1961. Zwischen 1953 bis 1956 hatte ein Vertreter der VdU, ein Vorläufer der FPÖ, diese Position inne, weil Julius Raab (Nc) den VdU in die Regierung holen wollte, was aber am Widerstand von Bundespräsident Theodor Körner scheiterte. Gorbachs Nachfolger in diesem Amt wurde 1961 Alfred Maleta (C1).
In der Steiermark gehörte Gorbach in den „langen“ fünfziger Jahren im Verein mit Landeshauptmann Josef Krainer sen. (BbG EM) zu den prägenden politischen Persönlichkeiten. Trotzdem war er nicht unumstritten. Zum einen galt er aufgrund seiner politischen Tätigkeit vor 1938 als Vertreter des „alten Systems“, zum anderen konnte er sich aufgrund seiner bundespolitischen Funktion keine entsprechende Hausmacht in der Steiermark aufbauen, wie es dann später Krainer gelang. Einer seiner landespolitischen Konkurrenten nach dem Krieg war der spätere Handelsminister Udo Illig.
Bereits 1947 wollte Illig gegen Gorbach als Landesparteiobmann kandidieren. Als der Landeshauptmann Anton Pirchegger 1948 zurücktrat, hätte ihn Gorbach beerben können, überließ jedoch dieses Amt Krainer. Es gab zwar aufgrund des unterschiedlichen Naturells immer wieder Spannungen zwischen diesen beiden, die aber 1960 mit Wahl Gorbachs zum Bundesparteiobmann der ÖVP zumindest auf Landesebene zurücktraten.
Der Namen Gorbach ist jedoch mit einer Initiative unmittelbar nach dem Krieg eng verbunden: der Versöhnungspolitik gegenüber ehemaligen Nationalsozialisten. Obwohl er unter der Nazi-Herrschaft übermäßig zu leiden hatte, initiierte er nicht zuletzt auch aus einem christlichen Versöhnungsgedanken heraus bald nach seiner Heimkehr einen „Amnestieausschuß“. Er trat bezüglich der NS-Mitgliedschaft für eine Amnestie für die Minderbelasteten bzw. Mitläufer ein, um sie in die wiederentstandene Demokratie zu integrieren. Das geschah zu einem Zeitpunkt, wo wahltaktische Überlegungen noch im Hintergrund standen und wo von einer sog. „Vierten Partei“ (VdU bzw. dann FPÖ) noch gar nicht die Rede sein konnte.
Obwohl bei den ersten Nationalratswahlen ehemalige Parteimitglieder noch nicht wählen durften, erreichte die ÖVP die absolute Mehrheit. Auch später konnte man für die Steiermark feststellen, daß die „Vierte Partei“ bzw. das wiederentstandene „Dritte Lager“ quantitativ nicht jene Stellung erreichen sollte, wie etwa in den Bundesländern Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg. Daß dadurch andererseits bei von durch den Widerstand geprägten Christlichen Demokraten Irritationen entstanden, zeigt die Gründung der Demokratischen Union und deren Kandidatur unter Josef Dobretsberger (Cl) im Jahr 1949, die gerade in der Steiermark, und da wiederum im CV, eine gewissen Anhängerschaft gewann.
Diese vor allem in der Steiermark zu beobachtende Reaktion stand auch im Zusammenhang mit dem Bemühen kirchlicher Kreise bzw. der Katholischen Aktion (KA), sich nach 1945 vom „Ständestaat“, dessen Exponenten ja nachgerade aus dem CV stammten, zu distanzieren, um einerseits die Arbeiterschaft zu gewinnen und um andererseits den Einfluß des CV und der ihm nahestehenden katholischen Verbände beim Aufbau einer Einheits-KA zu unterbinden.
GORBACH ALS BUNDESKANZLER UND BUNDESPARTEIOBMANN
Die für die ÖVP schlecht ausgegangenen Nationalratswahlen des Jahres 1959 entfachten eine innerparteiliche Bewegung. Bundeskanzler Julius Raab (Nc) war durch diese angeschlagen, ebenso seine Gesundheit. Auf seinen Vorschlag wählte der Bundesparteitag der ÖVP am 12. Februar 1960 Gorbach zum Bundesparteiobmann und gleichzeitig Hermann Withalm (Nc) zum Generalsekretär. Gorbach strengte dieses Amt nicht an und war eher an der Position eines Nationalratspräsidenten interessiert. Jedoch war durch das Wahljahr 1959 vor allem seitens der Länderorganisationen der ÖVP der Ruf nach Reformen laut geworden. Nicht zuletzt hatte sich auch das Tandem Raab-Figl, das zweifelsohne große Verdienste erworben hatte, in gewissem Sinne überlebt.
Das Duo Gorbach-Withalm versuchte nun, der ÖVP eine offenere und modernere Richtung zu geben, was innerhalb des ÖCV nicht immer ohne Widerspruch blieb, vor allem bei jenen, die noch der alten Christlichsozialen Partei nachtrauerten. So gab es bald nach deren Wahl mit Gorbach und Withalm Ende März 1960 ein Conveniat des Altherrenlandesbundes Wien im „Grünen Tor“. Zu jenen CVern, die die ÖVP in die Richtung der alten Christlichsozialen Partei drängen wollten, meinte Gorbach: „Wenn ihr das so macht, dann habt ihr bei den nächsten Wahlen höchstens 25 Mandate.“
Im Februar 1961 teilte Raab dem ÖVP-Nationalratsklub mit, daß er aus gesundheitlichen Gründen als Bundeskanzler zurücktreten werde und Gorbach als Nachfolger vorschlage. Es hat sich eine Trennung beider Funktionen als nicht immer friktionsfrei erwiesen. Am 11. April 1961 wurde Gorbach zum Bundeskanzler ernannt. In seinen beiden Kabinetten saßen u. a. folgende Minister oder Staatssekretäre: Fritz Bock (NdW), Heinrich Drimmel (NdW), Franz Hetzenauer (Vi), Josef Klaus (Rd), Franz Korinek (Baj EM), Vinzenz Kotzina (Am), Otto Kranzlmayr (AW) und Ludwig Steiner (AIn). (Es waren nicht alle der Genannten jeweils in beiden Kabinetten vertreten.) Neben Gorbach stärkstes Mitglied der ÖVP-Regierungsfraktion war zweifelsohne Josef Klaus als Finanzminister, der einen rigiden Sparkurs sehr zum Ärger seiner Regierungskollegen führte, was bereits im Herbst 1961 zu einer ersten Regierungskrise führte.
Gorbach konnte zwar die Wahlen im November 1962 für die ÖVP erfolgreich schlagen, jedoch gelang es ihm nicht, diesen Vorteil in den folgenden, bis März 1963 dauernden Regierungsverhandlungen zu nutzen. Es ging dabei im Kern um die Rückholung des 1959 an die SPÖ bzw. Bruno Kreisky abgetretenen Außenministeriums, wogegen sich die SPÖ erfolgreich wehren konnte. Damit schwand der ursprüngliche Bonus für Gorbach. Josef Klaus wollte als damals geachteter Finanzminister nicht mehr dem Kabinett Gorbach II angehören, und ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm unterschrieb demonstrativ nicht die Koalitionsvereinbarung mit der SPÖ.
Das folgende Jahr verlief für Gorbach bzw. die ÖVP nicht glücklich. Zum einen waren es die schon Ende April 1963 stattgefundenen Bundespräsidentenwahlen. Es ging um die zweite Periode des amtierenden Bundespräsidenten Adolf Schärf, der dadurch schon hoher Favorit war. Die ÖVP stellte den gesundheitlich sichtlich gezeichneten Julius Raab in völlig aussichtsloser Position auf, der nur 40,6 Prozent erreichte. Hinzu kam noch, daß seitens der Europäisch-Föderalistischen Partei (EFP) der Gendarmerie-General Josef Kimmel (Rd) als Kandidat nominiert wurde, der fast 4 Prozent erreichen konnte und damit die Position Raabs zusätzlich schwächte. Zum anderen gab es im Frühjahr/Sommer des Jahres 1963 die schwere innenpolitische Krise um die Einreiseerlaubnis von Otto von Habsburg (NbW EM), bei der SPÖ und FPÖ zusammenwirkten, was die Regierungskoalition schwer belastete.
Gorbach war – nicht zuletzt aus den Erfahrungen der „Lagerstraße“ während seiner KZ-Haft – ein Anhänger der Großen Koalition, weil er auch für die Versöhnung mit dem anderen politischen Gegner, nämlich der Sozialdemokratie, eintrat. Das erschwerte in den Augen so mancher in der ÖVP – nicht zuletzt gehörte ÖVP-Generalsekretär Withalm dazu – die Arbeit in der Großen Koalition, weil das als Nachgiebigkeit ausgelegt wurde. Vizekanzler Bruno Pittermann nützte das ebenfalls geschickt für sich aus, so daß das Bild der Zusammenarbeit der beiden großen Parteien in der Öffentlichkeit nicht gut war.
Bei den immer stärker werdenden Auseinandersetzungen zwischen ÖVP und SPÖ bzw. zwischen Gorbach und Pittermann wirkte im Hintergrund oft ausgleichend Eduard Chaloupka (Baj), der damalige Präsidialchef des Bundeskanzleramtes und zu dieser Zeit auch Vorsitzender der Verbandsführung des ÖCV. Er und Pittermann waren Schulkollegen. Es formierten sich nun aus diesen Gründen die „echten“ Reformer um Josef Klaus, um eine deutliche Neuorientierung der ÖVP herbeizuführen. Dagegen gab es innerhalb der ÖVP eine Gegenbewegung, die sich um Heinrich Drimmel (NdW) scharte. Am 20. September 1963 trat auf dem Bundesparteitag der ÖVP in Klagenfurt Gorbach als Bundesparteiobmann zurück. In einer Kampfabstimmung wurde Klaus gewählt.
Noch vor seinem Rücktritt als Bundeskanzler gelang es noch Gorbach, gemeinsam mit dem sozialistischen Vizekanzler Pittermann eine Versöhnungsgeste zu setzen. Im Februar 1964 gaben sie sich anläßlich der 30. Wiederkehr des Februaraufstandes von 1934 auf dem Zentralfriedhof vor den Gräbern der Februarkämpfer die Hände. Es war die letzte große symbolische Geste der Ära der Großen Koalition von 1945 bis 1966. Dieser Vorgang erinnert übrigens stark an den späteren historischen Handschlag zwischen dem französischen Staatspräsidenten François Mitterand und dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl am 22. September 1984 in Verdun.
Am 2. April 1964 trat dann Gorbach als Bundeskanzler zurück. Zu seinem Nachfolger wurde Josef Klaus ernannt.
AUSKLANG UND NACHWIRKUNG
Nach seinem Ausscheiden aus der Regierungsverantwortung blieb Gorbach weiterhin Nationalratsabgeordneter. Ein Jahr später sollte er ein politisches Comeback erleben, als er nach dem Tod von Bundespräsident Adolf Schärf für die Bundespräsidentenwahlen am 23. Mai 1965 als Kandidat seitens der ÖVP aufgestellt wurde.
Die Aussichten für einen Erfolg standen günstig, doch Gorbach verfehlte mit einer Differenz von nur knapp über 60.000 Stimmen das Ziel, was insofern schmerzlich war, da selbst im „roten“ Wien fast 42 Prozent für ihn gestimmt hatten. Der Grund des Scheiterns lag im vergleichsweise schlechten Abschneiden Gorbachs in seinem Heimatland Steiermark. Und das wiederum hatte seine Ursache in einer distanzierten Schreibweise der „Kleinen Zeitung“, was auf den Einfluß des damaligen Styria-Generaldirektors Karl M. Stepan (Nc) zurückzuführen war. Er revanchierte sich damit für seine schlechte Behandlung durch die ÖVP nach 1945.
Am 10. Juni 1965 beschloß der Bundesparteivorstand der ÖVP, Gorbach zur Wahl zum Ehrenobmann der ÖVP mit Sitz und Stimme im Parteivorstand vorzuschlagen. Am 8. Juli wurde er dann vom Bundesparteirat dazu gewählt. Im Januar 1970 hielt er die letzte Rede im Nationalrat, da er bei den kommenden Wahlen nicht mehr kandidierte:
„Ich kann die Lehren, die mir in meinem Leben zuteil wurden, nur weitergeben. Nicht politischer Fanatismus, nicht Sieg um jeden Preis sind die Wegweiser der politischen Arbeit, sondern der Wille, gemeinsam – auch über Parteigrenzen hinweg – zu wirken. Besser im Frieden die Hälfte für jeden, als im Kampf ums Ganze für alle nichts.“
Danach bezog er ein kleines Büro in der Grazer ÖVP-Zentrale am Karmeliterplatz. Nach langer, schwerer Krankheit starb er im Grazer Landeskrankenhaus und wurde in Graz mit militärischen Ehren zu Grabe getragen.
Gorbach war von den bislang sechs ÖVP-Bundeskanzlern der Zweiten Republik jener mit der kürzesten Amtszeit, daher steht er zu Unrecht in der historischen Erinnerung nicht im Vordergrund. Auch wenn er als Bundeskanzler vergleichsweise nur wenige Akzente in seinem Regierungshandeln hinterlassen konnte, so war sein Leben und Wirken aus zweierlei Gründen bemerkenswert.
Zum einen hat er, um es schlicht auszudrücken, viel mitgemacht. Als 18-jähriger wurde er an die Front gerufen und verlor mit 19 Jahren in der Hölle der 12. Isonzoschlacht ein Bein. Als 40-jähriger, wo es ansonsten auf der Karriereleiter nach oben geht, mußte er leidend mit ansehen, wie seine Heimat von der Landkarte verschwand. Es folgten fünfeinhalb Jahre großes Leid und Entbehrungen im Gefängnis und im KZ. Mit Krieg und Haft waren somit sieben Jahre seines Lebens quasi „verloren“ gegangen.
Zum anderen aber hat er – und das sollte das Vermächtnis seiner politischen Ämter werden – aus diesen Erfahrung zur Versöhnung aufgerufen und die Hand nach rechts und nach links ausgestreckt. Das war das eigentliche Staatsmännische seines Lebens, für das Österreich ihn in Erinnerung behalten muß.
Am 31. März 1981 wurde in Graz auf Initiative des damaligen Philisterseniors der Babenberg Graz, Heinz Rabussay, eine „Dr.-Alfons-Gorbach-Gesellschaft“ gegründet, die aus dem Kuratorium für die Schaffung eines Gorbach-Denkmals hervorging. Ein solches wurde auf dem Grazer Karmeliterplatz errichtet. Gorbach war auch Ehrenphilister der MKV-Verbindungen Waldmark Mürzzuschlag und Austria Krems.
Werke:
Gedanken zur Politik (1961).Quellen und Literatur:
Gorbach. Staatsmann und Gentleman. Hg. vom Kuratorium für ein Gorbach-Denkmal. Graz o. J. (1980).Kriechbaumer, Robert (R-J): Alfons Gorbach. Ein Mann des Ausgleichs (= Reihe Kurzbiographien des Karl von Vogelsang-Instituts). Wien 1987.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, bes. S. 472f.
Gelitten für Österreich. Christen und Patrioten in Verfolgung und Widerstand. Hg. vom Karl von Vogelsang-Institut. Wien o. J. (1988), S. 39.
Bleier-Bissinger, Hanna: Bundeskanzler Dr. Alfons Gorbach und seine Zeit. Leben und Sterben der Nachkriegskoalition. Graz 1988.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, bes. S. 568f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 95–97.