Lebenslauf:
HERKUNFT, AUSBILDUNG UND ENGAGEMENT IN DER HOCHSCHULPOLITIK
Drimmel wurde als Sohn eines aus dem südlichen Niederösterreich zugezogenen Sicherheitswachebeamten geboren und wuchs in Wien-Margareten auf. Nach dem Krieg verbrachte er während der Volksschulzeit zwei Jahre als Pflegekind in den Niederlanden. Diese „Kinderverschickungsaktion“ organisierte u. a. der holländische Zigarrenfabrikant Eugen Goulmy (AW EM). Danach besuchte er die Realschule in Wien-Mariahilf (Marchettigasse) und trat 1928 der katholischen Pennalie Austro-Germania bei (später MKV, nach dem Krieg Namensänderung in Leopoldina und 1950 nach Gmünd [Niederösterreich] verlegt).
Nach der Matura im Jahr 1930 begann Drimmel das Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (abs. iur. 1935, Dr. iur. 1936), wo er dem Nordgau beitrat (Couleurname Dr. cer. Hagen). Gemeinsam mit ihm wurde der spätere Vizekanzler Fritz Bock (NdW) rezipiert. Im Sommersemester 1932 sowie im auf den Universitäten unruhigen Wintersemester 1932/33 war er deren Senior. Dadurch kam er in die damalige katholische Studentenvertretung, dem Katholisch Deutschen Hochschulausschuß (KDHA).
Im Frühjahr 1933 wurde Drimmel als Nachfolger des späteren Bundeskanzlers Josef Klaus (Rd) Vorsitzender des KDHA in Wien. Nach Auflösung der Deutschen Studentenschaft (DSt), wurde er im Mai 1934 Sachwalter der neu gegründeten Nachfolgeorganisation sche Hochschülerschaft Österreich an der Universität Wien. Ein Jahr später, am 2. Mai 1935, wurde er dann Sachwalter der Hochschülerschaft für ganz Österreich, welches Amt er bis Ende September 1937 ausübte. Sein Nachfolger wurde Richard Lechner (Rd). Bis 1936 war er auch der hochschulpolitische Führer der Heimwehren.
Im ÖCV bekleidete Drimmel ab 1935 das Amt für Hochschulfragen im ÖCV-Beirat, das er nominell bis 1946 innehatte. Für das Studienjahr 1936/37 wurde der Nordgau Wien zum Vorort und von diesem dann Bruno Simlinger (ehemals NdW) zum Vorortspräsidenten (VOP) gewählt. Ende 1936 kam es zu Spannungen wegen gerüchteweise bekannt gewordener Pläne zur Errichtung einer Hochschulorganisation innerhalb der Vaterländischen Front. Das tangierte den CV, und so kritisierte der VOP diese Pläne, was wiederum Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (AIn) verärgerte. Um die Situation zu entspannen, trat Simlinger zurück. Zum neuen VOP für das Sommersemester 1937 wurde Drimmel gewählt.
Aufgrund all dieser Ämter war Drimmel bis zum Herbst 1937 zweifelsohne der unumstrittene Studentenführer im „Ständestaat“. In dieser Position galt es, die in sich gespaltene Studentenschaft (schlagende Verbindungen bzw. nationalsozialistische Studenten auf der einen Seite, katholische Studenten – vornehmlich aus dem CV – auf der anderen Seite) zu beruhigen und in das neue politische System zu integrieren. Zu diesem Zweck wurden vornehmlich nach dem Juliabkommen 1936 auch Exponenten der nationalen Studentenschaft zu untergeordneten Funktionen der Sachwalterschaft herangezogen. Aufgrund seiner diesbezüglichen jahrelangen Funktionen besaß Drimmel mehr oder minder gute Gesprächskontakte zur nationalen Studentenschaft und zählte ähnlich wie Josef Klaus (Rd) zu den moderaten Katholisch-Nationalen im CV, die aber im Hinblick zum Nationalsozialismus nie die „rote Linie“ überschritten hatten.
BERUFLICHER WERDEGANG
Nach Beendigung seines Studiums trat Drimmel Ende Dezember 1936 in den höheren Finanzdienst ein und tat zuerst am Finanzamt für den II. und XX. Wiener Gemeindebezirk Dienst. Doch bereits Mitte November 1937 wurde er dem Unterrichtsministerium (Kultusamt) dienstzugeteilt. Im März 1938 wurde Drimmel im Gegensatz zu vielen anderen exponierten CVern, zu denen er wegen der genannten Funktionen durchaus zählte, nicht verhaftet, was er seinen Aussagen zufolge den genannten guten Kontakten mit nationalen Studenten zu verdanken hatte. Er wurde lediglich mit 1. Mai 1938 wiederum in die Finanzverwaltung rückversetzt, was aber weniger als Strafaktion zu werten war, sondern eher durch die Umstrukturierung der verbliebenen Ministerien im vorläufigen „Land Österreich“ verursacht wurde.
Vom März bis August 1939 besuchte Drimmel einen Lehrgang für Finanzreferendare an der Reichsfinanzschule in Berlin. Mit 1. August 1940 wurde er dann zum Oberfinanzpräsidenten in Thüringen versetzt und tat dort an verschiedenen Finanzämtern Dienst (u. a. in Greiz, Weimar, Saalfeld und Gotha).
Am 5. Juni 1941 wurde Drimmel zur Deutschen Wehrmacht einberufen und war in Frankreich, Rußland und Italien eingesetzt (letzter Dienstgrad Unteroffizier). Im Mai 1945 geriet er in Gefangenschaft, aus der er Ende September 1946 zurückkehrte. Er meldete sich sogleich zum Dienst und wurde als Finanzkommissär wieder dem Unterrichtsministerium zugeteilt und schließlich von diesem mit 12. Februar 1947 endgültig übernommen.
Drimmel war zuerst in der Hochschulsektion tätig, wurde zu Beginn des Jahres 1947 Sekretär des Unterrichtsministers Felix Hurdes (NbW EM) und im Januar 1951 zum Sektionsrat ernannt. Als Ernst Kolb (AIn) Anfang 1952 Unterrichtsminister wurde, wechselte Drimmel Mitte Juli dieses Jahres auf den Posten eines stellvertretenden Leiters der Hochschulsektion. Bereits Ende Oktober wurde er, obwohl nur Sektionsrat, deren Sektionsleiter. Mit 1. Juli 1953 wurde er dann zum Ministerialrat ernannt. Eine 1961 beabsichtigte Beförderung zum Sektionschef – in der Zeit als er Minister war – lehnte er entschieden ab.
DRIMMEL ALS CV-FUNKTIONÄR NACH 1945
Drimmels Funktion als Hochschulamtsträger des ÖCV endete nominell mit der Cartellversammlung Ende November/Anfang Dezember 1946. Dafür wurde er zum ÖCV-Kassenwart bestellt. Zum einen wollte ihn der Vorsitzende des ÖCV-Beirates, Robert Krasser (Nc), als Mitglied im ÖCV-Beirates weiter behalten, zum anderen schien er als früherer Finanzbeamter für dieses Amt geeignet zu sein. Damit stand Drimmel bei der Restrukturierung des ÖCV nach dem Krieg an entscheidender Stelle, wo es nicht zuletzt auch in erheblichem Maße um finanzielle Dinge ging.
Krasser war damals nicht nur Vorsitzender des ÖCV-Beirates, sondern nach Kriegsende auch Vorsitzender der Altherrenschaft des ÖCV. Beide Ämter konnten aber auf Dauer nicht gemeinsam ausgeübt werden, so daß er 1948 als Beirats- bzw. Verbandsführungsvorsitzender zurücktrat. Zu dessen Nachfolger in dieser Funktion wurde Drimmel gewählt. Die im ÖCV-Archiv vorhandenen Protokolle und Akten aus dieser Zeit vermitteln den Eindruck, daß Krasser eindeutig die bestimmende Person im ÖCV blieb, dem sich der 30 Jahre jüngere Drimmel selbstverständlich und respektvoll unterordnete. So wie es die Cartellordnung bis 1976 vorsah, bekleidete er die Funktion eines Vorsitzenden des ÖCV-Beirates, zu dessen Aufgaben es u. a. gehörte, stimmrechtslos die Sitzungen der Verbandsführungen zu leiten. Die Funktionsbezeichnung „Vorsitzender der Verbandsführung“ gab es bis 1976 offiziell nicht, wurde aber in der Ära Eduard Chaloupka (Baj) ab 1955 zunehmend gebräuchlich.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg galt es vor allem, den CV zu konsolidieren. In Drimmels Amtsperiode fielen die spektakulären Personalfälle Josef Dobretsberger (Cl [ehemals Nc]) und Peter Krauland (ehemals AW) (dazu siehe deren Biographien im Biolex) sowie die Konflikte mit der SPÖ anläßlich der Bundespräsidentenwahlen 1951 und der damaligen Kandidatur von Heinrich Gleißner (S-B) (dazu siehe dessen Biographie im Biolex). Um 1950 wurden auch Fälle von SPÖ-Mitgliedschaften bekannt. Prominente waren u. a. der Sekretär (Kammeramtsdirektor) der Vorarlberger Arbeiterkammer Karl Pontesegger (ehemals AIn) und der Innsbrucker Nationalökonom Hans Bayer (ehemals AIn EM). Pontesegger war von 1936 bis 1938 Sachwalter der Hochschülerschaft in Innsbruck und damit mit Drimmel auch gut bekannt. In all diesen Dingen galt es für Drimmel und vor allem für Krasser, im ÖCV „Kurs zu halten“.
In den ersten innerkirchlichen Auseinandersetzungen mit der Katholischen Aktion (KA) war Drimmel geistig-intellektuell und auch politisch ein gleichgewichtiger Partner gegenüber deren Vertreter, wie Otto Mauer, Karl Strobl oder Michael Pfliegler Drimmel entwickelte sich nach 1946 zum Exponenten eines anfänglich durchaus positiv zu verstehenden konservativen Katholizismus. Er war zweifelsohne ein Intellektueller von hohem Format. In seiner Art prägte er das Amt des Vorsitzenden des ÖCV-Beirates in seiner Außenwirkung. In seiner Innenwirkung war er allerdings durch die weiterhin dominante Persönlichkeit Krassers als Altherrenschaftsvorsitzender bestimmt. Als Drimmel im Oktober1952 mit der Leitung der Hochschulsektion betraut wurde, gab er seine Funktion als Vorsitzender des ÖCV-Beirates auf. Sein Nachfolger wurde der ÖCV-Seelsorger Hans Friedrich (AW). Drimmel blieb aber bis 1959 ad personam Mitglied des ÖCV-Beirates ohne Portefeuille.
DRIMMEL ALS UNTERRICHTSMINISTER
Als Unterrichtsminister Kolb (AIn) im Herbst 1954 in die Vorarlberger Landesregierung wechselte, schlug Bundeskanzler Julius Raab (Nc) Drimmel als Mann seines Vertrauens zum Nachfolger vor. Er wurde mit 1. November 1954 zum Unterrichtsminister ernannt und bekleidete dieses Amt fast exakt neuneinhalb Jahre bis zum 2. April. 1964. In seine Amtszeit fielen u. a. folgende Reformen, Gesetzeswerke und Ereignisse:
Die Erhöhung der Schulpflicht von acht auf neun Jahre;
die Reform des allgemein bildenden Höheren Schulwesens, deren Ergebnisse im Wesentlichen noch heute bestehen;
die Einführung der Pädagogischen Akademien für die Lehrerausbildung;
das Hochschulorganisationsgesetz des Jahres 1955;
das Gesetz über die Errichtung einer sozial- und wirtschaftwissenschaftlichen Hochschule Linz (mit dem neuen akademischen Grad eines Mag. rer. soc. oec.) im Jahr 1962;
die Klärung der staatskirchenrechtlichen Probleme (Konkordatsfrage, Schule, Religionsunterricht, Diözesangründungen Eisenstadt, Innsbruck und Feldkirch, Protestantengesetz);
die Olympischen Winterspiele Anfang 1964 in Innsbruck.
Zu den Agenden des Unterrichtsministeriums zählte auch der Sport, somit war Drimmel auch „Sportminister“ und Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees (1956–1969), was seiner Neigung für den Fußball (glühender Rapid-Anhänger) durchaus entsprach. Sein Nachfolger in dieser Funktion war Heinz Pruckner (Nc).
Als Raab 1961 vom Amt des Bundeskanzlers zurücktrat, blieb Drimmel unter dessen Nachfolger Alfons Gorbach (Cl) weiterhin Unterrichtsminister. Aber unter dem „Reformer“ Josef Klaus (Rd) war kein Platz mehr für ihn da. Im Herbst 1963 kandidierte er auf dem Klagenfurter Parteitag der ÖVP zwar als Nachfolger Gorbachs für das Amt des Bundesparteiobmann, unterlag aber deutlich dem Reformflügel unter Josef Klaus und Hermann Withalm (Nc), obwohl er von den Parteigranden Figl und Raab unterstützt wurde.
POLITISCHES AUSGEDINGE
Drimmel erhielt nun von der im Schatten der SPÖ stehenden Wiener ÖVP das Angebot, ihr Spitzenkandidat für die Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen im Herbst 1964 zu werden. Er stimmte dem zu und wurde gut drei Wochen nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung am 28. April 1964 als Landeshauptmannstellvertreter in die Wiener Landesregierung bzw. in den Stadtsenat gewählt. Er wurde als Spitzenkandidat in seinem Heimatbezirk Wien-Landstraße aufgestellt und hatte bei den Wahlen Erfolg. Die ÖVP erreichte wieder mehr als ein Drittel der Mandate im Wiener Gemeinderat bzw. Landtag und konnte damit wieder den Vizebürgermeister stellen, den sie bei den Wahlen des Jahres 1959 verloren hatte.
Am 11. Dezember 1964 wurde Drimmel zum Vizebürgermeister gewählt, welches Amt er rund viereinhalb Jahre (aufgrund vorgezogener Wahlen) bis zum 6. Juni 1969 bekleidete. Der ÖVP standen laut Proporz inklusive des Vizebürgermeisters vier Sitze in der Landesregierung bzw. im Stadtsenat zu. Da Drimmel als Mitglied des ÖAAB einen Politiker des Wirtschaftsbundes ablöste, mußte wieder ein solcher nachrücken. Es gelang ihm. dafür einen Mann seines Vertrauens zu gewinnen, nämlich Johann Wollinger (Nc), der so wie er CV-Funktionär nach dem Zweiten Weltkrieg war und den er dadurch gut kannte. Leider verstarb dieser bereits im September 1965.
Drimmel übte laut Stadtverfassung die Funktion eines sog. Amtsführenden Stadtrat aus und war damit für eine Verwaltungsgruppe zuständig. Sein Ressort war die Verwaltungsgruppe VII, die sich Behördliche und sonstige technische Angelegenheiten nannte. Ihm unterstanden u. a. die baubehördlichen Angelegenheiten, die öffentliche Beleuchtung, die Bau-, Feuer- und Gewerbepolizei, die Friedhöfe Wiens und das Stadtforstamt. Es haben sich viele, die Drimmel als Unterrichtsminister und intellektuelle Größe kannten, gefragt, wie er mit diesen Zuständigkeiten umgeht.
Nach der Wahl 1964 waren zwei von den vier Regierungsmitgliedern CVer. Von den 35 ÖVP Landtagsabgeordneten gehörten sechs dem CV an, das waren 17,1 Prozent. Bei den vorgezogenen Wahlen am 27. April 1969 verlor die ÖVP fünf Mandate und damit den Anspruch auf den Vizebürgermeister. Drimmel schied daraufhin am 6. Juni 1969 aus der Landesregierung – sein Nachfolger als Amtsführender Stadtrat wurde Hannes Krasser (Nc) – , blieb ab vorerst Landtagsabgeordneter bzw. Gemeinderat. Gleichzeitig kehrte er als Beamter in das Unterrichtsministerium zurück und war als Ministerialrat für die Geistige Landesverteidigung zuständig. Kurz nach seinem 60. Geburtstag legte er am 31. Januar 1972 sein Landtagsmandat zurück.
DRIMMEL ALS KONSERVATIVER INTELLEKTUELLER
Drimmels politisches und sonstiges (z, B. CV) Wirken wurde von der Spannung seiner Persönlichkeit geprägt. Zum einen war er ungemein historisch sowie literarisch gebildet und besaß ein immenses Allgemeinwissen, das ihm als CV-Funktionär und dann als Unterrichtsminister sehr zugute kam. Er war zweifelsohne ein Intellektueller von hohem Format. Zum anderen vertrat er einen konservativen Standpunkt, der zwar geistig fundiert war und in den fünfziger und frühen sechziger Jahren durchaus dem damaligen Zeitgeist, wie er im Politischen Katholizismus zu finden war, entsprach.
Doch bald zeigte sich, daß die Zeit nicht stehenblieb und neue bzw. andere Entwicklungen am Horizont auftauchten. Ab 1959 wurde in der vom Wahlblock dominierten Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) Forderungen zur Verbesserung der Studiensituationen und des Stipendienwesens immer lauter, die schließlich 1959 und 1962 zu Studentenstreiks führten. In der ÖH waren zahlreiche CVer Funktionäre. So war von 1961 bis 1963 Hans Blaickner (Cl) Vorsitzender des Zentralausschusses der ÖH. Erster Adressat dieser Streiks war der auch für die Hochschulen zuständige Unterrichtsminister, so daß es deshalb innerhalb der Führungsgremien des CV zu Diskussionen kam.
Ein besonderes Trauma für Drimmel war das Jahr 1968 mit der eskalierenden Studentenbewegung in Europa und der aufkommenden sog. „Neuen Linken“. Er verglich die damalige „Linksanfälligkeit“ der Studenten bzw. der Jugend mit der „Rechtsanfälligkeit“ (zum Nationalsozialismus) der frühen dreißiger Jahre, die er als Studentenfunktionär persönlich erlebt hatte und wo er dabei selber gefordert war. Am 14. September 1968 veröffentlichte er in der katholischen Wochenzeitung „Die Furche“ einen Beitrag mit dem Titel „Rutscht der CV nach links ab?“, wo er diesen Vergleich ausführlich behandelte. So schilderte er u. a. die Gleichschaltung des CV 1933 im Dritten Reich als mahnendes Beispiel für die Gegenwart.
Dieser Beitrag führte zu heftigen Diskussionen im CV, die teils in der Öffentlichkeit geführt wurden. Kurt Vorhofer (Nc), der legendäre Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“, replizierte mit einem Artikel in seiner Zeitung am 20. September mit dem Titel „Drimmel bricht CV-Tabu“, wobei er Drimmel ziemlich kritisierte: Er habe CV-Interna in die Öffentlichkeit gebracht, führe unseriöse Angriffe gegen Personen und biete selber keine Lösungen an. Mit dem damaligen Vorortspräsident Claus J. Raidl (Baj) wurde in der nächsten Nummer der „Furche“ (21. September) ein replizierendes Interview geführt, das mit „Nicht die Wache von gestern…“ übertitelt war. Auch er wies die Kritik Drimmels zurück, insbesondere seinen Vergleich mit 1933 und seinen völlig unsachlichen Vorwurf, der CV sei abseits gestanden, als am 29. Mai 1968 im Hörsaal des Neuen Institutsgebäudes die rote Fahne gehißt wurde. Gerade der WCV sei es ja gewesen, der diesem Spuk ein Ende bereitet hatte.
Die Diskussion wurde nun in der „Österreichischen Academia“ fortgesetzt. In der Oktober-Nummer 1968 wurde ein Interview mit Drimmel abgedruckt, wo er seine Ansichten wiederholte und weitere äußerte. Dem widersprach in der November-Nummer Wilfried Daim (Rd), was wiederum in der nächsten Dezember-Nummer Wolfgang Aigner (Nc) dazu brachte, seinen Beitrag „Weder Daim noch Drimmel“ zu titulieren. In der April-Nummer 1969 meldete sich Drimmel neuerlich mit einem Beitrag zu Wort: „Rechts stehen, rechts denken. Entwurf einer Alternative zur alten und Neuen Linken.“ Alle diese Beiträge und Interviews stellen ein hochinteressantes Dokument der geistigen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit dar, wirken aber auf einen unvermittelten heutige Leser möglicherweise sonderbar.
Kurz nach diesem letzten Beitrag war Drimmels politische Karriere durch die bereits erwähnte Wahlniederlage der ÖVP in Wien zu Ende. Und es wurde vorerst auch stiller um ihn. Zum Thema CV meldete er sich erst wieder Anfang 1973 zu Wort. Wegen der damaligen Anti-Vietnam-Kriegsdemonstrations-Anfälligkeit des CV veröffentlichte er am 24. Februar 1973 in der „Furche“ den Beitrag „Quo vadis ÖCV?“.
Nach seiner endgültigen Pensionierung begann die Epoche seines umfangreichen literarischen Schaffens. Als erstes veröffentlichte Drimmel seine Autobiographie („Die Häuser meines Lebens“), dann widmete er sich dem Genre des großangelegten historischen Essays, in denen er die Geschichte der letzten 150 Jahre einzuordnen und zu deuten versuchte. Dabei wurde auch sein immenses Wissen sichtbar.
Obwohl sein konservatives Profil in dieser Zeit noch deutlicher hervortrat, schwanden die Belastungen zwischen Drimmel und dem CV. Der Wendepunkt fand im Studienjahr 1986/87 unter dem Vorort Amelungia im Rahmen des jährlichen VOP-Treffens statt, zu dem dann Drimmel auf Initiative des damaligen VOP Gerald Scheid (Am) erschienen ist. Es begann nun wieder eine stärkere Präsenz von ihm im CV. Und so erhielt er am 26. Oktober 1988 im Großen Sofiensal in Wien das Band „In vestigiis Wollek“. Die Laudatio hielt der damalige Bundesminister Heinrich Neisser (Rd). Drimmel schloß seine Dankesrede mit der Bemerkung, man solle es ihm nicht übelnehmen, wenn er unbequem gewesen sei. „Erst wenn ich mich nicht mehr ärgere, bin ich wirklich alt geworden.“
Drimmel war Bandphilister zahlreicher weiterer CV-Verbindungen und Ehrenphilister der MKV-Verbindungen Thuiskonia Wien und Thuringia Wien. Er war auch Ehrenphilister der KÖL Maximiliana sowie der inzwischen sistierten ÖKV-Verbindung Prinz Eugen Wien. Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Im 3. Wiener Gemeindebezirk ist ein Teil des Landstraßer Gürtels als „Heinrich-Drimmel-Platz“ benannt worden.
Werke:
(Auswahl)Die Aufgaben des CV in der Hochschulpolitik, in: Der CV und die geistigen Probleme der neuen Zeit. Im Auftrage des ÖCV-Beirates hg. von Robert Krasser, S. 102–113 (1937).
Die Häuser meines Lebens. Erinnerungen eines Engagierten (1975).
Albert Ehrhard und seine Studenten in Wien von 1900 (= Wiener katholische Akademie. Miscellanea IV) (1976).
Gott erhalte. Biographie einer Epoche (1976).
Gott mit uns. Das Ende einer Epoche (1977).
Gott sei uns gnädig. Die Welt von Josef Stalin bis Jimmy Carter (1979).
Franz Joseph. Biographie einer Epoche (1983).
Die Österreich-Trilogie 1919–38. Die ungewollte Republik. Bd. 1: Vom Umsturz zum Bürgerkrieg (1985), Bd. 2: Vom Justizpalastbrand bis zum Februaraufstand (1986), Bd. 3: Vom Kanzlermord zum Anschluß. Österreich 1934-1938 (1987).
Vom Anschluß zum Krieg (1989).
Quellen und Literatur:
ÖCV-Archiv. Staatlicher Personalakt Drimmel, dankenswerterweise von Nicolaus Drimmel (Baj) zur Verfügung gestellt.Mitteilung von Heinz Hafner (Am), 29. 8. 2017.
Österreichische Academia 20 (1968/69), 1 Oktober S. 2f., 2 November S. 2f., 3 Dezember S. 3f. und 7 April S. 6, sowie 56 (2005), Mai, S. 30–31 (Aus dem Vergessen geholt).
Die Furche, 14. 9. 1968, S. 3f., 21. 9. 1968, S. 9, und 24. 2. 1973.
Kleine Zeitung, 20. 9. 1968, S. 3.
Academia intern X/1988, S. 1.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 300, 333, 345, 349, 376, 389, 415, 418f., 430, 441, 501, 514, 518–520, 530–533, 538–540, 548–553, 569–577, 586–595, 607, 627, 651, 659.
Fellner, Fritz–Corradini, Doris A.: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon. Wien 2006, S. 100.
Demokratie und Geschichte. Jb. des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der Geschichten der christlichen Demokratie in Österreich. Hg. Helmut Wohnout (Nc). Jg. 1, 2005/2006. Wien 2007 (Themenschwerpunkt Heinrich Drimmel). Hier besonders die Beiträge:
Hartmann, Gerhard (Baj): Der gar nicht unpolitische Heinrich Drimmel, bevor er Politiker wurde, S. 79–96.
Benesch, Markus: Das Verhältnis Drimmel-Raab, S. 97–118.
Leitner, Leo: Die „Ära Drimmel“ am Minoritenplatz, S. 119–126.
Liebmann, Maximilian (Cl): Freie Kirchen im freien Staat. Heinrich Drimmel und die Stellung der Kirchen in Österreich, S. 195–208.
Goller, Günther (Rg): Heinrich Drimmel und sein Wirken im Wieder Rathaus, S. 241–254.