Lebenslauf:
HERKUNFT
Franz Joseph Otto Robert Maria Anton Karl Max Heinrich Sixtus Xavier Felix Renée Ludwig Gaetano Pius Ignatius – so sein voller Name – wurde in der Villa Wartholz als Sohn des Erzherzogs Karl und seiner Gemahlin, Zita von Bourbon, Prinzessin von Parma, geboren. Sein bereits verstorbener Großvater war Erzherzog Otto, sein Urgroßvater war Erzherzog Karl Ludwig, der Bruder von Kaiser Franz Joseph, sein Ururgroßvater war Erzherzog Franz Karl, der Bruder des kinderlosen Kaiser Ferdinands I. Diese beiden waren Söhne von Kaiser Franz II. bzw. I.
Zu Ottos weiteren unmittelbaren Vorfahren väterlichseits zählten u. a. König Ferdinand II. von Neapel-Sizilien („Beider Sizilien“, Bourbone), König Georg von Sachsen (Wettiner) und König Ferdinand II. von Portugal (Haus Braganza) sowie eine Reihe von Wittelsbachern. Zu seinen Vorfahren mütterlichseits zählten u. a. die Herzöge von Bourbon-Parma sowie Angehörige der Königshäuser von Italien (Savoyen), Frankreich (Bourbonen), Spanien (Bourbonen) und ebenfalls von Portugal.
Zum Zeitpunkt seiner Geburt stand Otto, so sein Rufname, an der dritten Stelle der Thronfolge in Österreich und in Ungarn. Vor ihm standen damals an erster Stelle sein Großonkel Erzherzog Franz Ferdinand, danach an zweiter Stelle sein Vater Erzherzog Karl, da dessen Vater (Erzherzog Otto) bereits verstorben war. Nach der Ermordung Franz Ferdinands in Sarajevo rückten Karl an die erste und Otto an die zweite Stelle.
Nach dem Tod Kaiser Franz Josephs am 21. November 1916 sukzessierte Erzherzog Karl in beiden Reichshälften zum Kaiser von Österreich bzw. zum König von Ungarn. Damit gelangte Otto an die erste Stelle der Thronfolge und wurde somit Kronprinz. Im Falle einer Thronübernahme hätte er sich gemäß seiner Vornamensgebung wahrscheinlich Franz Joseph II. genannt. Erstmals einer größeren Öffentlichkeit wurde Otto durch die Filmaufnahmen anläßlich des Begräbnisses seines Urgroßonkels Kaiser Franz Joseph bekannt, als er weißgekleidet zwischen seinen Eltern hinter dem bespannten Sargwagen schritt.
ERZIEHUNG UND AUSBILDUNG IM EXIL
Die letzte Zeit vor der Verzichtserklärung Kaiser Karls am 11. November 1918 logierte die kaiserliche Familie im Schloß Schönbrunn. Noch am Nachmittag desselben Tages übersiedelte sie in das kaiserliche Jagdschloß Eckartsau im südlichen Marchfeld (Niederösterreich). Über britische Vermittlung ging die kaiserliche Familie im März 1919 in die Schweiz, wo sie dann im Mai am Genfer See (Villa Prangins) Aufenthalt nahm. Nach den zwei Restaurationsversuchen Karls in Ungarn im März und Oktober 1921 war ein weiterer Verbleib in der Schweiz aber nicht mehr möglich, so daß die kaiserliche Familie nun auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira ins Exil verbracht wurde. Kaiser Karl starb dort am 1. April 1922, wobei der noch nicht zehnjährige Otto bei seinem sterbenden Vater verweilte.
Die verwitwete Kaiserin Zita zog im Mai 1922 mit ihren Kindern zuerst nach Spanien (Lequeitio), wo sie vom spanischen König Alfons XIII., der mit der Erzherzogin Maria Christina verheiratet war, unterstützt wurde. Die Kinder wurden zuerst von Lehrern aus Österreich und Ungarn in privater Form unterrichtet. Dabei wurde wertgelegt, daß Otto auch die wichtigsten Sprachen der Monarchie erlernt und auch wie ein künftiger Kaiser erzogen wird. Das letzte Jahr seiner gymnasialen Studien absolvierte er am Gymnasium der Benediktiner in Clairevaux (Luxemburg), wo er die Hochschulreife erlangte. Da feststand, daß er an der katholischen Universität in Löwen studieren werde, zog Zita mit ihrer Familie nach Belgien und nahm im kleinen Schloß Steenokkerzeel Aufenthalt (ca. 12 km nordwestlich von Brüssel).
Otto begann im Herbst 1929 das Studium der Politischen Wissenschaften an der Universität Löwen (Dr. rer. pol. 1935), wobei er sich dort mit dem lothringischen Titel Herzog von Bar nannte. Er schrieb seine Doktorarbeit über österreichische Agrarfragen und war deshalb studienhalber auch zeitweise in Berlin. Nach dessen Absolvierung unternahm er Reisen nach Skandinavien und Amerika. Bereits am 20. November 1930 wurde er nach den Regeln des Hausgesetzes für volljährig erklärt und Chef des Hauses Habsburg-Lothringen sowie Großmeister des Ordens vom Goldenen Vlies.
DIE JAHRE 1933 BIS 1938 - UM ÖSTERREICHS UNABHÄNGIGKEIT
Ab 1933/34 versuchte Otto, nach Österreich zurückzukehren, um durch seine Anwesenheit die Unabhängigkeit Österreichs zu stärken, aber um auch zu versuchen, die Monarchie wiederherzustellen. Unterstützt wurde er dabei von monarchistischen Kreisen und vor allem von österreichischen Adeligen, so u. a. von Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg (Tt). Otto richtete 1934 an den neuen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (AIn) eine Botschaft und traf ihn im September 1935 in Mühlhausen (Elsaß).
Im Oktober 1935 und im Juni 1936 richtete Otto weitere Botschaften an das österreichische Volk: Er warte auf den Ruf, um auf den Thron zurückzukehren. Schuschnigg selber war zwar durchaus legitimistisch eingestellt, jedoch war ihm aufgrund der politischen Lage in Europa (Frankreich, Kleine Entente und vor allem dann Nazi-Deutschland) völlig klar, daß eine tatsächliche Umsetzung höchst unrealistisch ist. Sie hätte unweigerlich zu schweren Konflikten geführt.
Im Juli 1935 wurden die Landesverweisung der Habsburger und die Beschlagnahme ihres Privatvermögens aufgehoben, das dann Anfang 1938 sogar restituiert wurde (die Auswirkung war durch den Anschluß nur von kurzer Dauer). Otto selber reiste aus politischer Rücksichtnahme in dieser Zeit nicht nach Österreich, wurde aber von über 1.600 Gemeinden zum Ehrenbürger ernannt.
Otto kritisierte das sog. Juli-Abkommen von 1936, weil er darin mit Recht eine Gefahr für die Unabhängigkeit Österreichs erblickte, und drängte Schuschnigg, den er im Sommer 1936 traf, zu einer Verständigung mit der Sozialdemokratie. Er selber pflegte u. a. Kontakte zu Karl Seitz, dem früheren sozialdemokratischen Bürgermeister Wiens und letzten Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei. Nach dem Zusammentreffen Schuschniggs mit Hitler auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden richtete Otto am 17. Februar 1938 ein Schreiben an Schuschnigg, wo er anbot, die Regierung zu übernehmen. Am 2. März antwortete Schuschnigg darauf ablehnend.
DIE JAHRE 1938 BIS 1945 - UM DIE WIEDERERRICHTUNG ÖSTERREICHS
Nach dem Anschluß, der seitens der Deutschen Wehrmacht unter dem Planungsdecknamen „Fall Otto“ lief, veröffentlichte Otto in einer Anzahl internationaler Zeitung, so u. a. in der „New York Times“, Artikel, wo er gegen die gewaltsame Besetzung Österreichs protestierte. Im nun angeschlossenen Österreich begann seitens der Nazis eine besondere Verhaftungswelle und Verfolgung von Monarchisten. Otto selber wurde steckbrieflich gesucht und am 22. April 1938 in Abwesenheit als Landesverräter verurteilt.
Otto ging daraufhin nach Paris, um von dort aus den Widerstand gegen Deutschland zu organisieren und exilierte Österreicher um sich zu scharen. Anfang 1940 reiste er in die USA, traf dort zweimal mit Präsident Franklin D. Roosevelt sowie anderen Politikern zusammen und konnte auch vor dem amerikanischen Kongreß sprechen, wo er betonte, Österreich sei kein feindliches, sondern ein gewaltsam besetztes Land. Anfang Mai 1940 kehrte er nach Belgien zurück. Doch bereits am 10. Mai mußte die kaiserliche Familie wegen des Beginns des Frankreichfeldzugs bzw. des deutschen Angriffs übereilt das Land verlassen. Sie begab sich zuerst nach Südfrankreich, wo sie bis zur Kapitulation Frankreichs am 10. Juni blieb. Danach floh sie nach Spanien.
Von dort reiste Otto noch im Juni 1940 in die USA, wo er Visa für den Rest der Familie besorgte, die dann im Laufe des Julis bzw. Augusts nachfolgte. Otto wohnte in der Folge in New York bzw. in Washington, während Kaiserin Zita mit den jüngeren Kindern nach Quebec in Kanada zog. Otto versuchte mit Unterstützung Roosevelts vergebens, eine Art österreichische Exilregierung zu gründen, was aber am Widerstand exilierter Sozialdemokraten, u. a. Julius Deutsch, scheiterte. Während der Konferenz in Quebec im August 1943 konnte Otto den britischen Premierminister Winston Churchill treffen, um für das Anliegen eines freien und unabhängigen Österreich zu werben.
NACH 1945 - ENGAGEMENT FÜR EUROPA
Anfang 1945 befanden sich einige Brüder Ottos bereits in Europa. Nach der Befreiung Tirols Anfang Mai wurden er und seine Brüder in Innsbruck herzlich empfangen und konnten vorerst in der französischen Zone (Nordtirol, Vorarlberg) verbleiben. Die Versuche, eine monarchistische Partei zu gründen, wurden vom sowjetischen Hochkommissar untersagt, ebenso das Bemühen um eine Volksabstimmung, bei der über die Staatsform zu entscheiden gewesen wäre. Anfang 1946 wurden Otto und seine Brüder von der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Leopold Figl (Nc) des Landes verwiesen, nachdem die Habsburger-Gesetze vom April 1919 wieder Geltung erlangt hatten. Der damalige Außenminister Karl Gruber (AW) reiste damals nach Tirol, um Otto zur Ausreise zu bewegen.
Nachdem eine Wiederherstellung der Monarchie nach 1945 nahezu aussichtslos war, verlegte sich Otto auf die Förderung des europäischen Gedankens und engagierte sich in der Paneuropa Union, bei der er seit 1936 Mitglied war. Von 1973 bis 2004 war er deren Präsident und bis zu seinem Tod dann Ehrenpräsident. Nachdem er nach dem Krieg zuerst in Frankreich und dann in Spanien lebte, verlegte er 1954 seinen ständigen Wohnsitz nach Pöcking am Starnberger See in Bayern. Es kam in der Folge zu Kontakten mit der CSU, und 1978 erhielt Otto zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß (TsM) verschaffte ihm 1979 einen sicheren Listenplatz bei der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament, dem er dann von Mai 1979 bis zum Mai 1999 angehört hatte. Dort war er außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und nach den Wahlen 1989 und 1994 Alterspräsident bei der Konstituierung des Parlaments.
DIE CAUSA HABSBURG
Ottos österreichische Staatsbürgerschaf war zwar nach 1945 unbestritten, aber aufgrund der österreichischen Habsburgergesetze durfte er nicht nach Österreich reisen, solange er nicht eine Verzichtserklärung abgegeben hatte. Um unmittelbar nach dem Krieg überhaupt reisen zu können, erhielt er mangels eines österreichischen Reisepasses zuerst einen von Monaco und dem Souveränen Malteserorden, dem er angehörte. Später erhielt er einen spanischen Diplomatenpaß.
Otto war auch nach 1945 um eine Wiederherstellung der Monarchie in Österreich bemüht. So erhob er noch 1949 einige Personen in den Adelsstand, und in einer Wiener Zeitung votierte er in einem Interview für eine aus monarchischen und republikanischen Elementen gemischte Staatsform. 1956 erhielt er dann auf den Namen Dr. Otto Habsburg-Lothringen einen österreichischen Reispaß mit dem Eintrag: „Gültig für alle Staaten der Welt mit Ausnahme der Republik Österreich“. Die Namensgebung Habsburg-Lothringen ist nicht unumstritten, und es gibt die Annahme, daß der Familienname der Habsburger eigentlich „Österreich“ lauten sollte. So heißen z. B. die Wettiner mit ihrem Familiennamen „Sachsen“ und die Wittelsbacher „Bayern“.
Um nun ungehindert für sein europäisches Anliegen tätig sein zu können, gab Otto Anfang 1958 eine Erklärung ab, in der er betonte, sämtliche österreichischen Gesetze anzuerkennen – damit auch unausgesprochen die Habsburger-Gesetze – , eine ausdrückliche Verzichtserklärung kam jedoch in dieser Erklärung aber nicht vor. Im September 1958 schrieb Otto an Bundeskanzler Julius Raab (Nc) einen Brief, wo er seinen Rückkehrwunsch erläuterte. Raab äußerte in seiner Antwort außenpolitische Bedenken in Rücksicht auf Ungarn und die Tschechoslowakei.
Da Otto nach wie vor Äußerungen abgab, die man als Wunsch interpretieren konnte, in Österreich wieder die Monarchie herstellen zu wollen, waren gegen ihn vor allem schwere Vorbehalte bei der SPÖ vorhanden. Daher gab Otto gegenüber dem damaligen Bundeskanzler Alfons Gorbach (Cl) am 31. Mai 1961 seinen Verzicht auf die Mitgliedschaft im Haus Habsburg-Lothringen und auf die daraus resultierenden Herrschaftsansprüche bekannt. Otto ersuchte in dem Schreiben weiters, daß die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrats diese Erklärung anerkenne und damit seinen Landesverweis aufhebe. Damit wären die materiellen wie formellen Forderungen des Gesetzes vom 3. April 1919 (sog. „Habsburger-Gesetz“) erfüllt gewesen, um in Österreich einreisen zu können.
In den Ministerratssitzungen vom 13. und 21. Juni 1961 wurde diese Verzichtserklärung behandelt, jedoch kein Einvernehmen zwischen ÖVP und SPÖ erzielt, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Da es somit zu keinem formellen Beschluß des Ministerrates gekommen war, wurde die Erklärung nicht an den Hauptausschuß weitergeleitet und der Antragsteller nicht verständigt.
Darauf rief Otto den Verfassungsgerichtshof an, der sich jedoch am 16. Dezember 1961 für unzuständig erklärte, da es sich bei dieser Angelegenheit um einen Verwaltungsakt handle. Daraufhin erhob Otto am 6. Februar 1962 eine Säumnisbeschwerde beim dafür zuständigen Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Dieser forderte nun die Bundesregierung auf, entweder eine Stellungnahme zu verfassen oder eine Entscheidung zu fällen. Nachdem die dafür gesetzte Frist verstrichen war, stellte der VwGH am 24. Mai 1963 fest, daß die Verzichtserklärung Ottos ausreichend sei, und hob dessen Landesverweisung auf. Der VwGH ging dabei davon aus, daß das im Gesetz von 1919 festgelegte Mitwirkungsrecht des Parlaments (Hauptausschuß) nicht in die Bundesverfassung 1920 übernommen wurde, wodurch die Bundesregierung alleine hätte entscheiden können. Begründet wurde das in dem Urteil damit, daß eine Mitwirkung des Nationalrats sowohl dem Prinzip der Gewaltenteilung, als auch dem Rechtsschutz des einzelnen gegenüber individuellkonkreten Verwaltungsakten widerspricht.
Hierauf kam es zur „Habsburg-Krise“, weil die SPÖ – dabei unterstützt von der FPÖ – die Meinung vertrat, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs habe nicht die Mitwirkung des Hauptausschusses des Nationalrats berücksichtigt. Seitens der SPÖ gab es am 5. Juni 1963 eine dringliche Anfrage an den Bundeskanzler, wobei sogar von „Justizputsch“ die Rede war. Von SPÖ und FPÖ gab es einen gemeinsamen Entschließungsantrag, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen entsprechenden Gesetzesantrag einzubringen. Bereits am 4. Juli wurde ein Bundesverfassungsgesetz einstimmig beschlossen, wonach bei Verzichtserklärungen von Angehörigen des Hauses Habsburg-Lothringen auch der Hauptausschuß zu befassen sei. Da dieses Gesetzt aber nicht rückwirkend beschlossen werden konnte, wurde von der SPÖ und der FPÖ ein Entschließungsantrag angenommen, wonach die Rückkehr Ottos unerwünscht sei.
Die „Causa Habsburg“ bescherte der Großen Koalition eine schwere Krise, von der sie sich nicht mehr erholen sollte und die schlußendlich auch zu ihrem vorläufigen Ende führte. Innenminister Franz Olah weigerte sich, für Otto einen neuen Paß ausstellen zu lassen. Als es im Frühjahr 1964 zum Wechsel von Gorbach zu Josef Klaus (Rd) als Bundeskanzler kam, versuchte die SPÖ unter Vizekanzler Bruno Pittermann, der ÖVP neuerlich Regierungsverhandlungen aufzuzwingen, um die Causa Habsburg doch noch in ihrem Sinne geregelt zu bekommen. ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm (Nc) fuhr am 21. März 1964 eigens zu Otto nach Pöcking. Dieser gab dort eine Erklärung ab, daß er während der laufenden Legislaturperiode nicht nach Österreich einreisen werde. Damit war die Bildung der Regierung Klaus gesichert.
Innerhalb der SPÖ gab es über deren Habsburg-Kurs auch kritische Stimmen, wobei der Begriff „Habsburg-Kannibalismus“ fiel. Die SPÖ bekam im März 1966 die Quittung, als die ÖVP die absolute Mehrheit erhielt und alleine die Regierung bildete. Der neue Innenminister Franz Hetzenauer (Vi) ließ einen neuen Paß für Otto ausstellen, der dann am 31. Oktober 1966 erstmals nach Österreich reiste, worauf es zu von der SPÖ inszenierten Protestaktionen und Streiks kam.
DIE NORMALISIERUNG
Am 4. Mai 1972 kam es anläßlich des 50-Jahr-Jubiläums der Paneuropa-Union zum Handschlag zwischen Otto und Bundeskanzler Bruno Kreisky. Das Verhältnis der SPÖ zum Haus Habsburg-Lothringen hatte sich daraufhin weitgehend entspannt. Wie bereits erwähnt wirkte nun Otto als Mitglied des Europäischen Parlaments ab 1979 aktiv am europäischen Einigungsprozeß mit. Im Juli 1988 betrat er erstmals nach 70 Jahren wieder ungarischen Boden. Er war einer der Mitinitiatoren und Schirmherr des „Paneuropäischen Picknicks“ am 19. August 1989 an der österreichisch-ungarischen Grenze, im Verlaufe dessen in Ungarn urlaubende DDR-Bürger die Gelegenheit zur Flucht ergriffen. Dieses Ereignis steht am Beginn des nachfolgenden Auflösungsprozesses der DDR.
Für Otto war es eine persönliche Genugtuung, den Zerfall des Kommunismus in Ost-Mitteleuropa erleben zu dürfen, wodurch ehemalige Gebiete der Habsburger-Monarchie wieder frei wurden. Für ihn war das ein Ansporn, noch intensiver für die europäische Idee zu werben. Rückblickend ist beachtlich, wie er nach einer anfänglichen, streckenweise etwas naiv wirkenden Agitation für eine Wiederherstellung der Monarchie in Österreich langsam erkannte, daß dieses Ziel unrealistisch ist und sich umso mehr für die Einigung Europas einsetzte. Als Repräsentant einer Familie, die in ihrer rund 800-jährigen Geschichte nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch in Spanien, den Beneluxländern, in großen Teilen Italiens und Ostmitteleuropas sowie am Balkan politisch bestimmend war, konnte er daher in dieser Rolle überzeugen.
Gesundheitliche Gründe und das zunehmende Alter veranlaßten Otto, 1999 aus dem europäischen Parlament bzw. der aktiven Politik auszuscheiden. Er blieb jedoch weiterhin in Wort (zahlreiche Reden) und Schrift (zahlreiche Veröffentlichungen) aktiv. Mit 1. Januar 2007 legte Otto seine Funktion als Familienoberhaupt zugunsten seines ältesten Sohnes Karl zurück, der Jahre zuvor kurze Zeit für Österreich ebenfalls im Europäischen Parlament saß.
Nach wie vor ungelöst ist die Rückerstattung des habsburgischen Privatvermögens sowie die noch bestehende Bestimmung, daß es Mitgliedern regierender sowie ehemals regierender Häuser nicht erlaubt ist, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren.
1951 ehelichte Otto im westlothringischen Nancy (Nanzig) Regina, Prinzessin von Sachsen-Meiningen. Der Ehe entsprangen fünf Töchter und zwei Söhne. Seine Tochter Walburga – eine verehelichte Gräfin Douglas – war von 2006 bis 2014 Abgeordnete des schwedischen Reichstages, seine Tochter Gabriela ist Bildende Künstlerin und war von 2009 bis 2014 Botschafterin Georgiens in Berlin und sein jüngster Sohn Georg ist für Ungar als Diplomat tätig.
OTTO UND DER CV
Bereits 1925, mit kaum 13 Jahren, wurde Otto Ehrenmitglied der Katholisch-Österreichischen Mittelschüler-Landsmannschaft Tegetthoff Wien, die später dem MKV beigetreten ist. 1936 wurde er zum „Hohen Schirmherren“ der Nibelungia Wien ernannt, welche Funktion einem Ehrenmitglied entsprach. Diese Verbindung war seit 1918 stark monarchistisch geprägt. Bei der Verleihung in Absenz im Dezember 1936 vertrat Josef Seidl (AW), damals im Präsidium der Vaterländischen Front tätig, den „Frontführer“ Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (AIn).
Ebenso wurde Otto Ehrenmitglied der CV-Verbindungen Agilolfia Freising (1970) und Franconia Czernowitz (1985) zu Erlangen. Im Juni 1971 wurde er Ehrenmitglied der ÖKV-Verbindung Suevia Graz. Sämtliche Katholisch-Österreichischen Landsmannschaften (elf an der Zahl) ernannten ihn ebenfalls zum Ehrenmitglied. Er zeigte seine Verbundenheit mit dem katholischen Couleurstudententum durch oftmalige Anwesenheit bei Veranstaltungen, vornehmlich auch durch seine dabei gehaltenen Reden, sowie durch schriftliche Äußerungen (etwa Festschriftbeiträgen).
TOD UND EXEQUIEN
Mit dem Tod Ottos endete – zumindest vorerst – die rund 800-jährige politische Rolle der Habsburger in Europa. Entsprechend beieindruckend waren auch die Trauerfeierlichkeiten. Das Requiem in der Münchener Theatinerkirche zelebrierte der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx (Ang EM), der dabei eine beeindruckte Predigt hielt. Bei der anschließenden Trauerkundgebung auf dem Odeonsplatz wurde die Haydn-Hymne mit dem Text „Gott erhalte“ intoniert, wobei diese – ohne darin ein Problem zu erblicken – auch von hochrangigen bundesdeutschen Politikern mitgesungen wurde.
Das Requiem im Wiener Stephansdom konzelebrierte der Erzbischof von Wien, Christoph Kardinal Graf Schönborn (Rt-D EM), zusammen mit Bischöfen und Priestern aus den Nachfolgestaaten der Monarchie. In seiner Predigt ging er auf das Bemühen Ottos ein, mit seinem Engagement für Europa den Fehler seines Urgroßonkels Kaiser Franz Joseph auszugleichen, den er mit seiner Unterschrift unter die erste Kriegserklärung des Ersten Weltkriegs begangen hat.
Ottos Leichnam wurde in der Wiener Kapuzinergruft beigesetzt, sein Herz in der ungarischen Benediktinerabtei Pannonhalma. Am Begräbnis in Wien nahmen neben dem österreichischen Bundespräsidenten und Bundeskanzler sowie weiteren politischen Funktionsträgern Österreichs auch zahlreiche hochrangige ausländische Vertreter teil, darunter der schwedische König Carl XVI. Gustav. Die genannten Verbindungen, bei denen Otto Ehrenmitglied war, waren durch Chargierte vertreten.
Werke:
(Auswahl)Europa, Großmacht oder Schlachtfeld? (1963),
Gottes Hand in der Geschichte (1966).
Karl V. (1967).
Politik für das Jahr 2000 (1968).
Idee Europa, Angebot der Freiheit (1976).
Europa – Garant der Freiheit (1980).
Die Reichsidee – Geschichte und Zukunft einer übernationalen Ordnung (1986).
Macht jenseits des Marktes. Europa 1992 (1988).
Friedensmacht Europa – Sternstunden und Finsternis (1995).
Die Paneuropäische Idee – Eine Vision wird Wirklichkeit (1999).
Ein Kampf um Österreich 1938–1945 (2001).
Quellen und Literatur:
Withalm, Hermann: Aufzeichnungen. Graz 1973, S. 121f.Brook-Shepherd, Gordon: Otto von Habsburg. Biografie. Graz-Wien-Köln 2002.
Baier, Stephan – Demmerle, Eva: Otto von Habsburg, Die Biografie. Wien 5. Aufl. 2007.
Plöchl, Gerhardt: Willibald Plöchl und Otto Habsburg in den USA – Das Ringen um Österreichs Exilregierung. Wien 2007.
Academia 104 (2011), Heft 5, S. 58t.