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Apost. Protonotar Univ.-Prof. HR Dr. Dr. Franz Seraph Gutjahr

Apost. Protonotar Univ.-Prof. HR Dr. Dr. Franz Seraph Gutjahr

Ehrenmitgliedschaften: Carolina

Geboren: 13.10.1854, Preding (Steiermark)
Gestorben: 04.06.1929, Graz
Universitätsprofessor (Neues Testament), Weltpriester

Lebenslauf:

Gutjahr wurde als Sohn eines Bauern geboren, besuchte in seinem Heimatort Preding die Volksschule und danach als Zögling des Knabenseminars das Gymnasium in Graz, wo er 1873 maturierte. Danach trat er in das Priesterseminar ein und studierte an der Theologischen Fakultät der Universität Graz (abs. theol. 1877, Dr. theol. 1893). Nach seiner Priesterweihe am 8. Juli 1877 wurde er Präfekt am Knabenseminar und gleichzeitig vom Bischof zum Studium der Klassischen Philologie an die Philosophische Fakultät der Universität Graz geschickt (Dr. phil. 1886). Von 1879 bis 1882 war in der Seelsorge tätig, um danach wieder als Präfekt an das Knabenseminar zurückzukehren und dann Latein und Griechisch am Bischöflichen Gymnasium in Graz zu unterrichten.

Durch seine Beschäftigung mit der Klassischen Philologie fand Gutjahr Zugang zum Neuen Testament, mit dem er sich in der Folge wissenschaftlich beschäftigte. 1893 wurde er daher zum o. Universitätsprofessor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Graz ernannt und blieb dies bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1925. In den Studienjahren 1895/96, 1899/1900, 1902/03 und 1908/09 war er Dekan der Theologischen Fakultät. Er verfaßte zahlreiche wissenschaftliche Werke. 1897 kandidierte er, allerdings vergeblich, für den Reichsrat.

Daneben war Gutjahr von 1907 bis 1928 Regens des Grazer Priesterseminars. Dadurch und als Universitätsprofessor sowie bereits vorher als Präfekt des Knabenseminars hatte er einen großen Einfluß auf die Heranbildung des steirischen Klerus. Bereits 1886 gründete er den „Literarischen Anzeiger für das katholische Österreich“.

Als Präfekt des Knabenseminars und als Gymnasiallehrer hatte Gutjahr eine große Nähe zur studentischen Jugend bzw. er war durch diese Funktionen auch prädestiniert, Mitglieder für die Carolina zu werben. Das möge u. a. der Anlaß gewesen sein, ihm kurz nach Gründung der Verbindung die Ehrenmitgliedschaft zu verleihen (Couleurname Siegfried). In den ersten Jahren der Carolina unterstützte er sie besonders im Kampf um die Gleichberechtigung auf der Universität und geriet dabei selber in die Auseinandersetzungen.

Beim Bummel auf der Universität am 1. Juli 1893 attackierten schlagende bzw. „freisinnige“ Studenten ohne Couleur 13 Carolinen allerdings in Couleur. Gutjahr versuchte, beschwichtigend einzuwirken, und forderte zum freiwilligen Abzug auf. Wegen der Übermacht beschlossen die Carolinen schließlich abzuziehen.

Am Samstagbummel des 28. Oktober 1893 fielen mehrere hundert Studenten auf ca. 20 Carolinen her und hieben mit Fäusten und Stöcken auf sie ein. Die Polizei erwies sich als machtlos, und der Rektor sah dem Tumult, der für eine halbe Stunde eine Verkehrsstockung verursachte, tatenlos zu. Auch Gutjahr (Cl EM) wurde tätlich angegriffen, als er wiederum beruhigend eingreifen wollte. Als ein Schlagender einen Hieb bekommen hatte, verklagte er Friedrich Funder (Cl), der aber aufgrund der Zeugenaussage Gutjahrs freigesprochen wurde.

1904 kandidierte Gutjahr bei den Wahlen zum Rektor der Universität, erhielt aber nur die Stimmen der Theologischen Fakultät, weil die anderen Fakultäten seit der Affäre um Prof. Johann Weiß (Cl EM) die Theologen übergingen.

Gutjahr erhielt die Titel eines Prälaten (Apostolischer Protonotar) und eines Hofrates. Er ist in Graz verstorben und wurde in seinem Geburtsort Preding begraben.

Werke:

(Auswahl)
Die Briefe des Apostels Paulus (1900)
Die Glaubwürdigkeit des irenäischen Zeugnisses für die Abfassung des 4. kanonischen Evangeliums (1904).
Die vier hl. Evangelie, übersetzt und erklärt (1904)
Einleitung zu den heiligen Schriften des Neuen Testamentes (7. Aufl. 1923)
Erklärung der Briefe des Apostels Paulus (1900 bis 1927, blieb unvollendet)

Quellen und Literatur:

Verbindungsarchiv Carolina. Carolinas Tote 2, 167f.
Academie 17 (1904/05), S. 110.
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Band 2, Wien 1958, S. 111.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, SS. 43, 76f., 186, 208 und 257.
Hartmann, Gerhard (Baj) – Simmerstatter, Markus (Cl): Ein großes Gehen Hand in Hand. 125 Jahre Carolina 1888 bis 2013. Graz 1913, S. 310f.